Um 05:00 Uhr in der Früh wache ich ca. 20 Minuten vor der Weckzeit auf und nutze die Zeit um für meine MitwanderInnen ein kleines Frühstück bestehend aus Tee, Skyr und Müsli aus der „FreeFood“-Abteilung vorzubereiten. Mit gemütlichen Frühstück in der Allgemeinküche, Rucksack packen und Zimmer herrichten wird es dann zeitlich fast noch knapp, unseren Bus nach Landmannalaugar zu erwischen, der um Punkt 06:40 Uhr von der Jugendherberge abfährt.
Mit uns sind noch 5 andere Gäste an Bord, bei ca. 40 Plätzen bleibt also ausreichend Platz für alle. Das Wetter ist typisch isländisch, beim Wegfahren scheint die Sonne und ein wenig später regnet es wieder. Mehr Respekt als vor den Wolken habe ich jedoch von den schon von Reykjavik sichtbaren großen Restschneefeldern, denn immerhin wollen wir heute nachmittag die mit 1.100m höchste Stelle des Laugavegur überqueren. Dank einer kurzen Pause bei Hella und einer Baustelle, bei der der Busfahrer kurzerhand lieber abseits der Strasse fährt verlieren wir schon ca. 45 Minuten auf den Zeitplan bevor der Bus die 26er-Straße nach Hrauneyjar verläßt und auf die F208 nach Landmannalaugar abbiegt (wobei er diese Abbiegung bereits passiert hatte, und erst im zweiten Versuch getroffen hat).
Jetzt fahren wir auf einer klassischen isländischen Hochlandpiste mit steilen Auf- und Abstiegen und sehr holpriger Fahrspur. Mehr als 30km/h sind bei solchen Verhältnissen kaum möglich und ich schildere meinen MitwanderInnen wie „angenehm“ das Fahrradfahren bei solchen Bedingungen ist. Schließlich erreichen wir um knapp vor 11:00 Uhr mit fast einer Stunde Verspätung des eindrucksvolle Tal bei Landmannalaugar mit den farbenfrohen Berghängen der Brennisteinsalda. Durch die Verspätung gestatte ich Katharina und Susanne nur 30 Minuten Badezeit in der dortigen heißen Quelle und nach dem Sortieren der Rucksäcke und dem Nachfüllen der Trinkflaschen machen wir uns auf den Weg zu unserer Doppeletappe zum Alftavatn, die mit ca. 8 Stunden Gehzeit angegeben ist.
Ich habe die gesamte Strecke aus meiner Wanderung 2005 noch recht gut in Erinnerung. Damals bin ich jedoch in der entgegengesetzten Richtung unterwegs gewesen, sodaß auch auf mich neue Einblicke und Eindrücke warten. Für Susanne und Katharina, die beide noch nicht in Island waren sind natürlich bereits die ersten Meter durch das erkaltete Lavafeld Laugahraun und den von rauchenden Schwefelquellen gesäumten Weg hinauf zur Brennisteinsalda sehr beeindruckend, da diese Landschaft in Europa ziemlich einzigartig ist. Gerade den ersten Teil des Weges teilen wir noch mit vielen Eintageswanderern, die von Landmannalaugar aus die Umgebung erkunden.
Waltraud beschwert sich nach den ersten Schlucken aus Ihrer Trinkflasche über den schwefeligen Geschmack, bevor wir im Gespräch draufkommen, dass Sie beim Nachfüllen das warme Wasser verwendet hat. Dieses wird in Island zumeist aus den heißen Quellen mit den zahlreichen darin befindlichen Mineralien bezogen und sollte besser nur zum Waschen verwendet werden. Wir kommen langsam höher und die Zahl der Schneefelder wird langsam mehr und mehr unterbrochen zumeist nur von heißen Quellen oder Solfataren, die ihre Umgebung enteisen. Es herrscht klare Sicht und auf dem Altschnee sind klare, nicht vereiste Spuren zu erkennen, sodaß die Orientierung und das Vorankommen relativ einfach sind.
Das letzte Stück vor der Mittagsstation bei der Hütte Hrafntinnusker ist überhaupt komplett weiß und nur der höchste Punkt 5 Minuten vor der Hütte ragt aus dem Schnee heraus. Deswegen können Waltraud und ich auch den Cache heben, der bei einem Lavastein (Special Hint bei 1000en Lavasteinen rundherum) versteckt ist.
In der Hütte zahlen wir 500 ISK Benutzungsgebühr und bekommen dafür heißes Wasser für einen Tee und eine geheizte Stube.
Eine isländische Bergführerin mit einer Gruppe von 20 Amerikanern erzählt ein bisschen was über den Weg, der uns bevorsteht und beantwortet die Frage nach einer Zeitschätzung mit 4 Stunden Restgehzeit. Von der Hütte weg gehen wir lange Zeit fast auf gleicher Höhe immer mit dem Blick zur Hütte zurück bevor wir ein weiteres Gebiet mit verstärkter geothermischer Aktivität erreichen. Die Wolken, welche sich bisher noch nicht so richtig entscheiden konnten, verdichten sich ein wenig und um 18:15 beginnt es zuerst leicht und dann stärker zu regnen.
Der Regen wird stärker und so ziehen wir alle unsere Regenkleidung an bevor sich der Blick auf die Landschaft des Alftavatn öffnet. Wir können schon unser heutiges Tagesziel erkennen, doch zuvor müssen wir noch einen steilen Abstieg und die Durchfurtung des Grashagakvisl überwinden. Beim Abstieg kann man erkennen, dass sich an einigen Stellen des Flusses noch Schneebrücken erhalten haben, die viele Wanderer zum Vermeiden der Furt benutzt haben. Ich beobachte beim Hinuntergehen die 20 Amerikaner und den Weg, den sie über den Fluss wählen und so kommen auch wir trockenen Fußes auf die andere Seite. Der Rest der Tagesetappe ist ein gemütliches Ausgehen über Wiesen in unterschiedlichsten Grüntönen.
Als wir knapp vor 20:00 Uhr am Alftavatn eintreffen begrüsst uns schon die Hüttenwirtin und fragt, ob wir die Gruppe von Rene sind, sie habe uns schon erwartet. Wir bekommen unsere Schlafplätze zugewiesen und staunen nicht schlecht, als wir feststellen, dass eine 1,20m breite Liege für zwei Personen gedacht ist. Somit finden in einer kleinen Hütte mit knapp 20m2 32 Personen auf 8 Stockbetten Platz. Dementsprechend brummt das Leben in der kleinen Hütte, aber zum Glück haben die meisten ihr Abendessen schon hinter sich, sodaß wir in Ruhe die Kürbissuppe und die Kasnudeln mit Röstzwiebel zubereiten können. Der Ofen und die vollbelegte Hütte sorgen gerade im „1. Stock“ für warme Temperaturen und ich bin sehr froh, dass ich direkt neben dem einen Spalt breit geöffneten Fenster liegen kann.