16.05.2012: Albertacce – Col di Verghiu – Evisa

Um 06:00 Uhr läutet mein Wecker. Leise schleiche ich mich wehmütig aus dem Zimmer und weiß, daß ich ab heute wieder ganz alleine unterwegs bin. Das Frühstück (Zwieback mit Butter und Marmelade) ist wie versprochen vorbereitet und eine Gruppe von 3 jungen Franzosen ist ebenfalls schon so früh auf. Als ich um 07:00 Uhr die Gite verlasse, bläst mir eine steife Brise entgegen und der Blick Richtung Col di Verghiu zeigt dunkle Wolken und teilweise Regenbogen. Sollte ich heute erstmalig meine „Wetterkleidung“ benötigen ? Vorerst bin ich noch in der Schönwetterregion und es geht zweimal ca. 150m bergauf und ist dazwischen relativ eben  und ich komme sehr zügig voran. Der Wald hier besteht im Unterschied zum ersten Teil meiner Wanderung eher aus vielen jungen, dürren Bäumen und die allgegenwärtige Maroni-Bäume sind auch schon seltener. Gegen 09:30 Uhr kommt schon mein Zwischenziel in Sichtweite, die dunklen Wolken haben sich mittlerweile verzogen. Laut Karte geht es noch einmal 400m Richtung Westen bergauf. Der Weg dreht jedoch immer mehr Richtung Norden direkt auf massive Felswände zu. Ich bin mir zwar sicher, daß dies nicht der Weg ist, der auf der Karte eingezeichnet ist, da er jedoch perfekt markiert und korrekt beschriftet ist, folge ich ihm mißtrauisch. Plötzlich kreuzt der Weg an einer Brücke über einen Wasserfall den GR20 und ich kann auf der Karte nachvollziehen, daß ich ein ziemliches Eck hingelegt habe. Im Angesicht der tollen Gebirgslandschaft bin ich für diesen Umweg jedoch fast dankbar. Beim Nachsehen auf der 1:100.000 Karte ist dieser Weg auch als Hauptweg eingezeichnet. Nach einer weiteren halben Stunde Anstieg erreiche ich mein Zwischenziel, den Col di Verghiu auf knapp 1.400m Höhe. Hier gibt es gute Aussicht und einen Parkplatz, Grund genug, daß hier Bustouristen, Motorradfahrer und Radfahrer in  Massen zu finden sind. Ein von mir angesprochener deutscher Tourist mit kurzer Hose antwortete auf meine Frage, ob ihm nicht kalt sei nur mit „I dont understand“. So schlecht ist mein Deutsch schon geworden ;-). Trotz teilweisem Sonnenschein ist es hier oben bei meiner Mittagspause dank des Windes für korsische Verhältnisse noch relativ frisch. Nun beginnt der zweite Teil meiner Doppeletappe ausschließlich bergab. An vielen Bäumen hängen Gebilde, die wie Nester aus Spinnweben aussehen vom Pinienprozessionsspinner. So erfahre ich zumindest von einem deutschen Reiseführer am Col di Verghiu, den ich belausche. Der Weg geht langsam aber stetig bergab, nach ca. einer Stunde geht es in den oberen Teil der Spelunca-Schlucht, da entwickelt sich der Weg phasenweise zu einer richtige Kletterpartie. Der schluchtbildende Spelunca-Fluß wird mit einer Hängebrücke überquert. Diese Brücke ist ziemlich wackelig und darf immer nur von einer Person gleichzeitig benutzt werden. Die letzten Kilometer nach Evisa, dem Ziel des heutigen Tages geht es auf dem Kastanienweg. Hier sind entlang des Weges zahlreiche Schautafeln aufgestellt, die über die Ernte und Verarbeitung der Kastanien informieren. Für mich leider nicht sehr hilfreich, da ausschließlich in französisch verfaßt. In Evisa angekommen gönne ich mir als Erstes ein Eis in einem der zwei, drei Straßencafes dieses Ortes.Danach gehe ich zur Gite von Evisa.  Diese ähnelt ein wenig einer Jugendherberge und bietet eine Surfstation (5 EUR/Stunde) und die Möglichkeit, seine Wäsche in einer Waschmaschine zu reinigen. Diese Herberge wird von einem jungen Pärchen geführt, das auch ein kleines Baby hat. Nach dem Duschen, Umziehen, Wäschewaschen etc. gehe ich zurück zur Hauptstraße, setze mich wieder in das Kaffee und genieße bei einem Pietra-Kastanienbier das relativ rege Treiben in Evisa. Ein französisches Pärchen mit großen Wanderrucksäcken gönnt sich ebenfalls eine Stärkung. Ich spreche sie an und wir plaudern ein wenig über die Wege, die wir schon gegangen sind und noch gehen wollen.  Zurück in der Gite hat beim Abendessen ein anderes Pärchen Mitleid mit mir alleine Essenden und setzt sich zu mir. Er spricht relativ gut Englisch, läßt aber lieber seine Frau sprechen, um sie umgehend zu korrigieren. Sie sind sehr interessiert an meiner Tour und erzählen Ihrerseits von Ihrer Reise per Autostopp durch Korsika. Das Abendessen selbst ist sehr umfangreich. Nach der obligatorischen Soup Corse, diesmal aber eher püriert, gibt es eine korsische Lasagne, die gefüllt ist mit Spinat und Ziegen- oder Schafkäse, anschließend wieder eine Art Kastanienkuchen und zum Abschluß eine Käseplatte. Ich probiere alle Sorten durch, ein Käse allerdings, der in ein Glas abgefüllt ist, hat es in sich. Von meinen Tischnachbarn gewarnt, probiere ich nur eine Messerspitze davon. Am Anfang schmeckt es noch intensiv aber nicht auffällig, doch plötzlich fühlt sich der ganze Mund an, wie narkotisiert und nur durch intensives Wassertrinken normalisiert sich das langsam wieder. Dank der Übersetzungskünste meiner Tischnachbarn erklärt sich der Vermieter bereit morgen schon um 07:00 Uhr Frühstück zu servieren, damit ich auch die morgige Doppeletappe früh starten kann. Mein Zimmer teile ich mit einem schweigsamen Wanderer, dem ich noch öfter begegnen werde.

17.05.2012: Evisa – Serriera

Um 06:00 Uhr läutet mein innerer Wecker und sitze um 07:00 Uhr im Frühstücksraum, wo schon fleißig Frühstück bereitet wird. Um 07:30 Uhr verlasse ich Evisa. Gleich nach dem Ort führt der Weg sehr anspruchsvoll und steil ca. 500m bergab in die Spelunca-Schlucht. Dies ist der erste intensive Test für meine Knie, da die nächtliche Feuchtigkeit den steinigen Weg noch extra rutschig macht. Obwohl ich sehr zügig bergab gegangen bin, überholt ich plötzlich mein Zimmergenosse von heute Nacht im Laufschritt – Ob der wohl den steilen Weg bergab gelaufen ist ? Unten in der Schlucht geht man eine Zeit lang dem Fluss entlang und kommt bei zwei alten Brücken vorbei (Pont de Zaglia, Ponte Vecchu), die man auch überquert. Sieht man sich diese Brücken von der Seite an, ist man ein wenig mißtrauisch, ob diese noch stabil genug sind, mich habe sie auf jeden Fall noch ausgehalten.  Im Tal des Spelunca-Flusses befindet sich auch ein Fussballfeld, weitab von jeder Stadt entfernt, rundherum abgezäunt mit Betreuerbänken jedoch offensichtlich selten genutzt und wenn dann eher als Kuhweide. Nach kurzen Anstieg aus der Schlucht heraus und insgesamt 2 Stunden Wanderung lande ich in Ota, wieder 1,5 Stunden unter der offiziellen Gehzeit. Dort genehmige ich mir eine kurze Pause und trinke Wasser aus dem Brunnen bevor es zum Königsteil der heutigen Etappe bergauf geht. Der Weg startet noch relativ harmlos bergauf und nach einem kurzen Stück sehe ich erstmals seit einer Woche wieder das Meer. Aufgrund der tollen Ausblicke sind hier auch einige Tageswanderer unterwegs. So überhole ich eine Gruppe von 4 Iren und mehrere Franzosen. Der Weg wird langsam aber stetig steiler und in einer teilweisen Kletterpartie werden insgesamt 600 Höhenmeter überwunden. Oben angekommen bietet sich ein genialer Ausblick auf das Meer viele Berge und der Mare e Monti, den ich seit heute begehe wird seinem Namen voll gerecht. Nachdem ich mit dem Anstieg den größten Teil meines heutigen Weges geschafft habe, suche ich einen schönen Platz für meine Mittagspause, finde jedoch nur ein Waldstück mit sehr eingeschränkten Ausblick. Genauso knackig, wie es bergauf gegangen ist, geht es nun auch wieder mir endlos scheinend bergab. Schritt für Schritt ist volle Konzentration angesagt, da man auf diesen Geröllhalden sehr leicht ausrutschen kann. Einmal habe ich auch Bodenkontakt, jedoch ohne gravierenden Auswirkungen. Nach ca. 1stündigen Abstieg komme ich auf eine Art Forststraße, der ich noch eine halbe Stunde folge, bevor ich an meinem heutigen Etappenziel in Serriera ankomme. In Serriera frage ich mich nach der Gite durch, da diese als einzige Gite der Tour nicht in der Karte eingezeichnet ist. Dank der Hilfe der Einheimischen finde ich die um 16:00 Uhr unbesetzte Gite. Auf einer schwarzen Tafel werden die Gäste des Tages willkommen geheißen, mein Name steht jedoch nicht drauf. Durch meine Erfahrungen der letzten Tage beziehe ich trotzdem ein freies Zimmer nutze die Dusche und mache mich nachher auf die Suche nach dem Vermieter, der einen kleinen Kiosk im Ort betreibt. Beim Kiosk kann ich die Übernachtung fixieren, kaufe mir ein Eis und verbringe den Rest des Nachmittages im einzigen Kaffee von Serriera, wo ein erstaunlich reges Dorfleben existiert, welches ich beobachten kann.  Um 20:00 Uhr betrete ich dann den Speiseraum der Gite, in dem sich eine alte Olivenpresse befindet. Es ist für 2 Leute gedeckt, jedoch ist außer mir nur die Köchin hier. Eine Frau soll angeblich noch hier übernachten, auf die ich zuerst warte, dann jedoch alleine zu Essen beginne. Eine gute Entscheidung, denn sie taucht nicht auf und so habe ich ein „Dinner for one“, mit dem einzigen Unterschied, daß der Kellner kein Englisch spricht. Zum Essen gibt es zuerst eine kalte Quiche und ein paar Tomatenscheiben, anschließend Speck, Wurst, Auberginen und Zucchini auf Reis und zum Abschluß Erdbeeren mit Schlagobers. Die Gite ist eine der schönsten meiner Reise. Jedes Zimmer hat 2 Stockbetten ist liebevoll ausgemalt und hat direkten Zugang zu einer eigenen Dusche.

18.05.2012: Serriera – Girolata

Obwohl laut meiner ursprünglichen Planung der heutige Tag der längste aller Etappen sein soll, gehe ich es ruhig an und verzehre mein Frühstück normal um 08:00 Uhr. Wieder bin ich ganz alleine und kann das für korsische Verhältnisse üppige (aufgebackene Mini-Croissants, Kekse, selbstgemachte Marmelade und Nutella) Frühstück ungestört verzehren. So gestärkt verlasse ich diesen netten Ort und gehe ca. 200m bergauf von Serriera in Richtung Curzu. Bevor es die soeben gewonnenen 200m wieder bergab geht, werde ich von einem Läufer überholt. Es ist der selbe, der mich schon in der Spelunca-Schlucht überholt hat, sein heutiges Tagesziel ist Galeria mein morgiges Ziel ! Mein Weg führt indes die zu einem Fluß abgestiegenen 200m wieder bergauf und noch 100m dazu und gewährt mir wieder einige sehr schöne Ausblicke auf das Meer. Nach ca. 2 Stunden wandern lande ich in Curzu, für weniger ambitionierte Wanderer bereits das Tagesziel. Durch die Anstiege bei prallen Sonnenschein habe ich mein Wasser schon fast leer und möchte in Curzu nachfüllen, dort gibt es aber nur Brunnen für Tiere mit „non potable eau“, so beschließe ich zur Gite zu gehen um Wasser zu holen, muß allerdings dazu im Bergdorf Curzu ca. 50 Höhenmeter bergab gehen, da die Gite am Ende des Dorfes liegt. Um den Originalweg zu gehen, müßte ich nun wieder alles zurück, dann 400m bergauf, anschließend wieder 400m bergab um ein paar Kilometer weiter auf der Straße zu landen, auf der ich mich soeben befinde.  Daher beschließe ich ausnahmsweise vom Weg abzuweichen und einige Kilometer auf der Straße zu laufen. Dies hat auch den Vorteil, daß ich nicht bei jedem Schritt extrem aufpassen muss, nicht auszurutschen oder umzuknöcheln. Nach ca. einer Stunde bzw. 6km entlang der Küstenstraße, die von vielen Motorradfahrern ob Ihrer vielen Kurven gerne genutzt wird, gelange ich zu jener Stelle, wo die Straße wieder vom Mare e Monti gekreuzt wird. Dort befindet sich auch ein kleiner Imbiss, wo ich mir ein Cola kaufe und meine Mittagspause mache. Das Wetter ist heute erstmalig nicht lupenrein sonnig, sondern bewölkt, kurzer Regen in der Früh und nun fängt es ein wenig stärker an zu regnen.Ich packe also erstmalig meinen Rucksack und mich in Regengewand ein. Durch den Abschneider kann ich es nun ganz gemütlich angehen. Es geht nun noch 300m bergab durch den Wald auf Meeresniveau zu einer schönen kleinen Bucht. Der Weg nach Girolata und die Bucht sind verglichen mit den bisherigen Tagen von stärker von Wanderern und Touristen frequentiert. Dieser Weg ist offensichtlich als 1-Tages-Wanderung sehr beliebt.  In dieser Bucht verweile ich eine Zeit lang, höre dem Meeresrauschen zu und beobachte die Touristen, die die Bucht erreichen und wieder verlassen. Zu meinem Ziel Girolata fehlt nur noch ein kurzes Stück in die nächste Bucht hinein. Dafür habe ich zwei Alternativen. Ein Weg geht ziemlich knapp am Meer, ein wenig etwas weiter vom Meer weg und eine Spur höher verlaufend. Ich entscheide mich für den Weg beim Meer, der es jedoch ziemlich in sich hat, da man oft nur einen Schritt von einem 50m-Absturz entfernt ist.  Wenn man jedoch halbwegs tritt- und höhensicher ist, findet man einen schönen Wanderweg vor, der viele Ausblicke in die verschiedenen Buchten und nach Girolata bietet. Der Regen hat inzwischen aufgehört und nach ca. 45 Minuten Gehzeit lande ich in Girolata, einem Dorf, das nur mit dem Schiff oder zu Fuß erreichbar ist. Es besteht aus einer öffentlich nicht zugänglichen Burg, einigen alten Häusern und sehr vielen Touristenshops bzw. Lokalen.  Die touristische Infrastruktur besteht zu Recht, da viele Touristen über organisierte Bootstouren von Calvi durch die Reserve de Scandola hierher kommen. Die Gite ist auf den ersten Blick nicht leicht auszumachen, da es sich eigentlich um den „Hinterhof“ eines der Lokale handelt. Die Frage nach einer Reservierung beantwortet der Inhaber mit „Nein“, aber auch hier sind ausreichend Plätze frei, da im Frühling nicht so viel los ist. Ich bekomme eine kleine Holzhütte mit 4 Stockbetten zugewiesen, bin dort jedoch ganz alleine. Nach dem Frischmachen gehe ich durch den Ort Girolata (ein kurzer Spaziergang), vergleiche die Bierpreise und wähle das Lokal mit dem günstigsten Preis. Dort sitzen auch zwei Engländer, die ich kurz zuvor noch mit dicken Trekkingrucksäcken gesehen habe. Sie kommen heute aus Galeria meinem morgigen Etappenziel und Endpunkt der Reise. Wir plaudern ein wenig, was uns gegenseitig am morgigen Tag erwarten wird, als uns die Kellnerin höflich darauf aufmerksam macht, daß nun geschlossen wird. Dies dürfte um 17:00 Uhr nachmittag wohl damit zusammenhängen, daß die letzten Touristenboote abgelegt haben und nur noch die wenigen Übernachtungsgäste im Ort verweilen. Zurück in der Gite komme ich darauf, daß die Engländer quasi meine Nachbarn sind, nur zahlen sie für Ihre 2er-Kabine um 40EUR mehr als ich. Am Abendessen gibt es der Meereslage entsprechend als Vorspeise eine Fischsuppe, als Hauptstraße ebenfalls ein Fischgericht und als Nachspeise einen Kastanienkuchen.

19.05.2012: Girolata – Galeria

Auch beim Frühstück, daß für dieses nobel wirkende Lokal sehr spartanisch ausfällt, begleiten mich die beiden Engländer. Wir schauen auf die Wettervorhersage, die den heutigen Tag Bewölkung und teilweise Regen vorhersagt und für die darauffolgenden Tage Donnerwetter. Die heutige Etappe hat ein relativ einfaches Profil, es gut zunächst 800m von Meeresniveau bergauf und anschließend wieder auf Meeresniveau hinunter. Die Bergaufstrecke ist nicht allzu steil und es geht gut voran. Durch den Regen in der Nacht ist es zwar etwas kühler, aber durch die hohe Luftfeuchtigkeit bin ich schon nach wenigen Metern patschnass geschwitzt. Am Weg bergauf höre ich einmal ein unheimliches Grunzen aus dem Walde, welches mich veranlaßt noch ein wenig schneller zu gehen und auf 450m Höhe mache ich meine erste Pause auf einem Art Plateau. Während der Pause beginnt es zu regnen, sodaß ich meinen Rucksack wieder wasserfest einpacke. Nach der Pause folge ich kurz dem Wegweiser nach Galeria, komme aber schon nach wenigen Metern bergab drauf, daß dies nicht der korrekte Weg sein kann. Also wieder retour bergauf immer einem Bergkamm entlang und meinen heutigen Startpunkt Girolata immer kleiner werdend im Blickfeld. Nach weiteren 350m bergauf neben einem kleinen Fernseh- oder Telefonmast am Höhepunkt meiner heutigen Wanderung mache ich meine Mittagspause mit herrlichen Ausblick auf Mare e Monti. Während meiner Pause kommt ein älteres deutsches Pärchen vorbei, die eine Eintageswanderung nach Girolata unternehmen. Vor dem Bergabweg habe ich noch ein wenig Respekt, da er in der Karte sehr steil eingezeichnet ist, er stellt sich aber als nicht so schlimmer heraus. Es gibt viele längere Serpentinen wobei der Weg an vielen Stellen von Blumen und Büschen so zugewachsen ist, daß ich mir mit den Stöcken den Weg richtiggehend freiräumen muss. Beim bergab gehen begegnen mir relativ viele Leute darunter 2 Deutsche, die es bis 13:00 erst gut 200m von Galeria bergauf geschafft haben und es trotzdem nach Girolata schaffen möchten. Dummerweise habe ich heute in der Früh vergessen, die Wasserflasche frisch aufzufüllen und so muss ich heute den ganzen Tag mit dem vom Vortag in der Flasche verbliebenen halben Liter auskommen. Nachdem diese Menge bei dem schwülen Wetter knapp für den Anstieg gereicht hat, nutze ich den ersten größeren Bach, fülle meine Flasche neu an und wage nach einem kurzen Geruchstest ein paar Schlucke zu trinken, da ich schon sehr ausgetrocknet bin. Nun geht der Weg nur mehr flach bergab dem Bach entlang und ich folge gedankenverloren den Weg ohne auf die Markierung zu achten. Irgendwann fällt mir auf, daß keine Markierungen mehr hier sind. Da die Richtung stimmt, gehe ich trotzdem geradeaus weiter, der Weg mündet in einer Straße und die Straße führt nach Galeria. Ich erreiche mein Tagesziel nach insgesamt 3,5 Stunden Gehzeit, allerdings auf die andere Seite des Ortes, sodaß ich den ganzen Ort zurück zur Gite marschieren muss. Trotzdem spreche ich nocheinmal die Empfehlung aus, immer auf die Markierung zu achten und spätestens, wenn man für 50m keine Markierung gesehen hat, umzudrehen und den richtigen Weg zu suchen. Die Gite liegt etwas außerhalb inmitten eines großen, recht schönen Gartens. Die Inhaberin ist eine junge Französin, die sehr gut aufgelegt und sehr freundlich ist. Die Reservierung ist bekannt und so kann ich rasch mein Zimmer beziehen, um dann „in Zivil“ in den Ort zu gehen.  Die zwei kleinen Supermärkte öffnen erst um 16:00 Uhr, sodaß ich zuvor in einer kleinen Bäckerei einen Schokoladentorte verzehre und anschließend in einem Lokal ein kleines Bier trinke. Im Supermarkt Utile von Galeria halte ich Ausschau nach Mitbringsel, nach typischen Lebensmittel aus Korsika. Ich entscheide mich für ein Pietra Maronenbier, ein Säckchen mit korsischen Keksen und einer Maronicreme. Zurück in der Gite fällt mir beim Einräumen des Einkaufs in meinem Rucksack das Glas mit der Maronicreme herunter und zerbricht. Ich bin sehr ärgerlich über meine Unachtsamkeit und auch ein wenig traurig. Das Abendessen nehme ich diesmal nicht alleine ein, insgesamt sind 16 Personen da. An meinem Tisch sitzt eine Gruppe von 5 Franzosen, die kein Wort Englisch sprechen und wenn dann nur, um sich über mich lustig zu machen. Das Essen selbst besteht erstmals aus einem grünen Salat als Vorspeise, einer leckeren Auberginen-Lasagne und als Nachspeise eine Apfeltorte. Begleitet wird das Ganze von den beiden fröhlich singenden Köchinnen, die bei Ihrer Arbeit offensichtlich Spaß haben. In der Nacht werde ich durch das Schnarchen eines Zimmergenossens um 02:00 Uhr geweckt und schaffe es erst eine Stunde wieder einzuschlafen. Gott sei Dank war dies das einzige Erlebnis dieser Art auf meiner Tour.

20.05.2012: Galeria – Calvi

Laut Auskunft der Gite-Besitzerin sollte es kein Problem sein per Autostopp von Galeria nach Calvi zu kommen. Ich frühstücke daher in Ruhe, packe entspannt meine Sachen und gehe zu Fuß nach Galeria und von dort ca. 5 km ins Landesinnere bis ich die Hauptküstenstraße im Westen Korsikas erreiche. Hier fallen mir extrem viele Motorradfahrer auf, die diese Straße entlang fahren. Offenbar übt diese sehr kurvige und bergige Küstenstraße eine großen Reiz auf Motorradfahrer aus. Schon beim vierten Auto bei dem ich den Daumen zum Autostopp raushalte bin ich erfolgreich. Das Auto scheint zuerst vorbeizufahren, bleibt jedoch dann stehen und schiebt zurück, um mich mitzunehmen. Ein ungefähr 35jähriger Korsika bietet mir an, mich Richtung Calvi mitzunehmen. Die Strecke bis zum Flughafen von Calvi ist ca. 25km lang und wäre zur Not auch zu Fuß zu bewältigen gewesen. Die Straße geht von Meeresniveau auf 500m hinauf und hat viele Serpentinen, da bin ich froh mit dem Auto zu fahren. Mein Chauffeur erzählt mir, daß er Arzthelfer ist und jene Leute betreut, die nicht zum Arzt gehen können, da dieser zu weit weg ist. Er hat alleine in den letzten 3 Monaten 20000km zurückgelegt. Um 10:30 passieren wir den Flughafen von Calvi, da es noch 6 Stunden bis zum Abflug sind, bringt mich mein Chauffeur direkt nach Calvi-Stadt. Beim Bummeln am Strand von Calvi treffe ich zufällig jenen Läufer, der mich in den letzten Tagen zweimal überholt hat. Jetzt kann ich in Ruhe mit ihm plaudern, er ist ein Deutscher. Er ist zuerst einen Teil des GR20 gelaufen, anschließend den Mare e Mare und Mare e Monti wo er locker 3 Etappen an einem Tag läuft mit einem Tagesrucksack mit 4-5 Kilo Gewicht – auch eine Art zu reisen. Bei der Autofahrt nach Calvi sind wir beim Feriendorf „zum störrischen Esel“ vorbei eine Art Österreicher-Camp in Korsika. Dorthin pilgere ich, um mich zu erkundigen, ob ich mit einem Bus mitfahren kann, der die dortigen Urlauber zum Flughafen bringt. Ich bin erfolgreich, bunkere meinen Rucksack dort und kann in Ruhe noch Calvi-Stadt erkunden. Calvi ist zum Vergleich was ich bisher in Korsika gesehen habe touristisch stark frequentiert und obwohl es gegen Mittwoch zu regnen beginnt und bis zu meinem Abflug nicht mehr aufhört, sind jede Menge Touristen auf der „Hauptstraße“ und in den Souvenierläden zu finden.  Hier setze ich mich in eines der Lokale mit Blick auf das Meer und bestelle eine Pizza und ein Cola sowie eine Nachspeise. Anschließend kaufe ich noch wie es sich für einen richtigen Touristen gehört, kleine Souveniers für Frau und Kind bevor ich im strömenden Regen zum störrischen Esel gehe. Ich freue mich schon wieder ein paar Worte heimische Sprache zu hören, diese Freude vergeht dann relativ schnell im Bus wo eine Gruppe von 25 Österreichern zwischen 40 und 60 niveaulose Witze macht. Das Einchecken am kleinen Flughafen ist in 15 Minuten erledigt und das einzig erwähnenswerte ist der Regen der die ganze Zeit darniederprasselt und mich daran erinnert, welches tolle Wetter ich die letzten 10 Tage in Korsika hatte.  So fällt der Abschied nach diesem tollen Urlaub ein wenig leichter.

16.04.2009: Wien – Stockholm – Abisko

Endlich ist er da der Tag der Abfahrt. Bei ca. 20°C mache ich noch die letzten Besorgungen (Hüttenschuhe und Thermoskanne) und skype das letzte Mal mit meiner Frau und meiner Tochter, bevor Sonja mit Ihrer Mutter mich abholt und zum Flughafen bringt. Check-In und Flug laufen problemlos, sodaß wir plangemäß um 15:30 Uhr am Flughafen in Stockholm-Arlanda sind. Dort die erste kleine Hürde – bei der Ausstellung unserer Tickets für die Zugfahrt nach Abisko stellen wir fest, daß bei der Internet-Reservierung etwas schiefgegangen ist. Zwar habe ich das richtige Ticket gebucht, jedoch kurz darauf wieder storniert, vermutlich eine Folge der rein in schwedisch gehalteten Webseite. Netterweise bekommen wir trotzdem unbürokratisch und ohne Mehrkosten neue Tickets, jedoch nur Sitzplätze. Unser Zug fährt erst um 18:00 Uhr, so bleibt noch Zeit den Flughafen zu erkunden, Proviant für die Zugfahrt zu kaufen und die letzte heimische Tageszeitung für die nächsten beiden Wochen zu lesen. Rene mit Gepäck am Bahnhof Arlanda Von Stockholm-Arlanda geht es dann mit unseren Anschlußzug nach Uppsala, wo wir auf den „Nattag“ stoßen, der uns in 16 Stunden nach Abisko-Turiststation, den Ausgangspunkt unserer Skitour bringen soll. Im Zug können wir durch Aufzahlung von SEK 200 / Person auf Liegewagen „upgraden“ und bekomen ein leeres 6er-Abteil zugewiesen. Die Freude darüber ist nur ein wenig durch unsere Abteilnachbarn im Zug getrübt, die gröhlen und johlen und mit viel Alkohol den Beginn oder das Ende ihrer Reise feiern. Trotzdem kann ich die Anreise mit dem Zug nur empfehlen – man sieht wie die Landschaft Mittelschwedens, welche die Schneeschmelze Mitte April bereits hinter sich hat, langsam in eine hügeligere und winterliche Landschaft in Nordschweden bzw. Lappland übergeht. Die Anreise mit dem Zug ist auch lange genug, um den Stress der letzten Tage mit den Vorbereitungen für die Reise zu vergessen. Auch die Nervosität, ob alles klappen würde, weicht einer positiven Vorfreude auf die bevorstehenden Erlebnisse.

17.04.2009: Abisko – Abiskojaure

Nach einer erholsamen und gemütlichen Zugfahrt, bei der wir bereits am Vormittag die beiden letzten größeren Städte Gällivare und Kiruna passieren, kommen wir pünktlich um 11:09 Uhr in Abisko-Turiststation an. Der Bahnhof Abisko Turiststation - der Start unserer Reise Außer uns springen noch etwa 15 andere mit Ski bewaffnete Personen aus dem Zug, von denen wir einige in den nächsten Tagen wieder treffen werden. Wir sind jedoch die einzigen Winterurlauber mit Touren-Ski, alle anderen verwenden Ski, die am ehesten mit Langlaufski vergleichbar sind, jedoch etwas breiter und mit Stahlkanten ausgestattet. Teilweise werden auch Steigfelle verwendet, die jedoch wesentlich schmaler und länger als unsere sind. Bei der großen Turiststation erkundigen wir uns nach dem Wetterbericht für die nächsten Tage, der überwiegend bewölkt und vereinzelt Niederschläge vorhersagt. Im für Trekkingzwecke sehr gut bestückten Shop kaufen und verzehren wir noch zwei Bananen und ein Joghurt. Dann geht es aber endgültig los, es hat ca. -5°C und ist relativ dicht bewölkt. Das Eingangstor zum Kungsleden erinnert ein wenig an eine Starthütte bei einem Schi-Weltcuprennen. Das Eingangstor zum nördlichen Kungsleden Ein älterer Schwede, der mit uns gemeinsam startet, schießt noch das obligatorische Foto mit Sonja & mir beim Eingangstor. Er ist aber nach wenigen Minuten aus unserem Blickfeld verschwunden. Schon die ersten Meter bringen uns Klarheit über viele Fragen 1) Der Weg ist top markiert und wahrscheinlich nur bei Katastrophenwetter zu verfehlen 2) Meist geht es flach oder nur leicht bergab oder bergauf dahin – der Weg hat mehr die Charakteristik einer schmalen, ungespurten Langlaufloipe – daraus folgt 3) Die Wahl unserer Schi und Schischuhe ist wohl suboptimal, da man mit den breiten Tourenschi mit Fellen kaum gleiten kann und die schweren, für steile Abfahrten gedachten Schischuhe beim gehen in der Ebene viel Kraft kosten. Sonjas Füße fühlen sich schon nach wenigen Minuten überhaupt nicht mehr wohl, was eine erste Behandlung mit Blasenpflaster notwendig macht. Der Weg geht durch ein recht dichtes, niedriges typisch skandinavisches Birkenwäldchen entlang des Abiskojakka-Flusses. Kleine Stege und Brücken über Bäche und Flüsse können wir getrost ignorieren, die sind alle zugefroren und mit einer ausreichenden Schneedecke überdeckt. Laut der Streckenbeschreibung aus unserer Reiseliteratur soll man in 4 Stunden bei der Hütte sein. Ein Ziel, das durch Sonjas immer größer werdende Schmerzen ab den Füßen jedoch schwer erreichbar ist. Durch die Beschaffenheit des Weges ist es auch möglich, daß Sonja mit Ihren Sportschuhen, die als Hüttenschuhe gedacht waren geht, und die Schi mit Schuhen wie eine Pulka hinter sich herzieht. Dies bringt zwar Erleichterung bei den Schmerzen im Fuß, führt aber zu einigen Ausrutschern und Stürzen und auch die Schi mit Schuhen kippen oft um, was das Vorwärtskommen erschwert. Sonja probiert alternative Fortbewegungsmethoden wegen schmerzender Füsse So probiert es Sonja mit „Scooter-Stoppen“, und hat Glück, dass einer dieser Motorschlitten, die auf diesem Teil des Kungsleden die gleiche Spur wie die Winterwanderer verwenden, gerade vorbeikommt und auch gleich anhält. Der nette Fahrer nimmt Sonjas Schi, Schischuhe und Ihren Rucksack und verspricht uns, sie bis zur Abiskojaure-Hütte mitzunehmen. Befreit von dieser Last legt Sonja über den zugefroreren Abiskojaure ein beachtliches Tempo vor, welchem ich auf den von Motorschlitten zerfurchten Eis nur schwer folgen kann. Mitten auf dem See kommt ein wenig Nebel und Wind auf. Daher können wir nicht erkennen, ob es sich bei drei großen Vierbeinern, die unseren Weg kreuzen um Rentiere oder Elche handelt. 3 Tiere im Nebel auf dem Abiskojaure Auf jeden Fall stärkt diese Begegnung unser Vertrauen in die Tragkraft des Eises, welches aber durch eine offenen Stelle inmitten des Sees wieder geschwächt wird. So beschließen wir, die letzten Meter zur Abiskojaure-Hütte in der Nähe des Ufers zu gehen. Dort angekommen gibt uns der Stugvard (Hüttenwart) eine Kurzeinführung für die Hüttenbenutzung (Wo ist das Wasserloch zum Wasserholen, wo sind die Toiletten, wo wird das Abwasser hingeschüttet, wie funktioniert das Kochen mit Gas,…). Bei der Bezahlung der Übernachtung (SEK 260/person) werfen wir auch einen Blick in den Shop der Hütte. Tonnen an Lebensmittel, die wir von zu Hause mitgenommen haben, und die unsere Rucksäcke recht schwer machen, hätten wir uns sparen können, da es fast alles zu kaufen gibt, was man unterwegs brauchen kann. Von der Trekkingmahlzeit über die Hartwurst, Konserven mit Fiskbullar und Blaubeersuppe bis hin zu Schokolade und Keksen gibt es alles in den meist in der Hütte des Hüttenwartes untergebrachten Shop. Zu unserer großen Überraschung sind die Preise sehr moderat, sodaß man auf einer Berghütte in den Alpen mehr dafür zahlen würde. Da man mindestens jeden dritten Tag an einer Hütte mit Shop vorbeikommt, hätten wir gut und gern 5kg / Person weniger einpacken müssen. So haben wir eine weitere Erfahrung für unsere nächsten Wintertouren gesammelt, und verbringen unsere erste Nacht in der skandinavischen „Wildnis“

18.04.2009: Abiskojaure – Alesjaure

Nach einer erholsamen, langen Nacht in der wohlig warm geheizten Abiskojaure-Hütte müssen wir uns überlegen, wie wir wegen Sonjas Fußproblem weitermachen können. Sonja  beschließt, die entstandenen Blasen und Blessuren zu tapen und 2 Paar Socken zu verwenden, um den Weg wie geplant fortzusetzen. Alternativen wie zurück nach Abisko und Langlaufschi ausborgen haben wir aufgrund organisatorischer Komplexität verworfen. So geht es die ersten Kilometer auf einem Fluss entlang – für den an warem Winter gewöhnten Mitteleuropäer ein ungewohntes und zu Beginn leicht mulmiges Gefühl. Man gewöhnt sich jedoch rasch daran und schätzt es als einen Vorteil der Winterwanderung, daß Flüsse nicht gefurtet und Seen nicht umrundet werden müssen. Ein Blick zurück auf den Abiskojaure Bei dem in der Wegbeschreibung als steil titulierten Anstieg hinauf ins Gardenvaggi können wir wenigstens kurz die Vorteile unserer Ausrüstung ausspielen und müssen nicht wie die „Langläufer“ im Treppen- oder Scherenschritt hinaufsteigen oder gar die Schi tragen. Seit kurzem dürfte der Kungsleden auch zum Pilgerpfad erklärt worden sein, und somit verbringen wir unsere erste Pause des Tages auf einem „Meditationsplats“, der herrlich gelegen ist. Erstmalig kommt an diesem Tag die Sonne zum Vorschein, was den Ausblick zurück auf den Abiskojaure und die Hütten noch schöner erscheinen läßt. Der Kungsleden ist im ersten Teil auch ein Pilgerpfad Weiter geht es sanft aufsteigend zu einer über 10km langen Kette von Seen. Aufgrund der guten Schneelage sind diese Seen jedoch nur schwer vom Ufer abgrenzbar und wir stellen uns die Frage, wie diese Landschaft wohl im Sommer aussieht. Wir passieren rechterhand eine Handvoll Hüttchen und Zelte, die wohl im Sommer von den Samen genützt werden. Fast zum Greifen nahe taucht hinter einem Bergkamm die Rodunjarga-Nothütte auf, die wir für unsere Mittagspause auswählen. Daß der Weg dorthin noch über eine dreiviertel Stunde dauert, zeigt uns erstmalig, daß das Schätzen von Entfernungen in einer komplett weißen Winterlandschaft neu gelernt werden muß. Der Schnee reflektiert die mittlerweile scheinende Sonne so stark, daß wir nun ausschließlich mit Sonnenbrillen unterwegs sein können. Die heutige Etappe ist relativ lang (21km) sodaß wir trotz weniger Pausen bei unser Mittagspause erst knapp mehr als die Hälfte geschafft haben. eine Pause bei herrlichem Wetter und Ausblick Einmal mehr beneiden wir die fast ausschließlich schwedischen Langläufer um ihre dahingleitenden Schi, mit denen sie mit geringerer Anstrengung größere Distanzen als wir zurücklegen können. Sonja verwirft nach der Pause ihre Gedanken die bequemen Sportschuhe anzuziehen und zwängt sich wieder in ihre ungeliebten Schischuhe. Aufgrund der perfekten Wetterverhältnisse beschliessen wir erstmalig, den mit Andreaskreuzen gespickten Sommerweg zu verlassen und direkt über den Alesjaure auf eine Gruppe von Hütten zuzusteuern, die wir für das samische Dorf Alesjaure halten. Das am Alesjaure gelegene nur im Sommer bewohnte Samendorf Nach circa 1,5 Stunden Gehzeit am See taucht dieses Dorf jedoch linkerhand auf, was uns sehr freut, das es sich bei der anvisierten Gruppe von Hütten also bereits um unser Tagesziel handelt. Erschöpft aber glücklich dort angekommen identifiziert uns die Hüttenwirtin gleich als Touristen und fragt, ob wir uns denn Lappland auch so kalt vorgestellt hätten. Beim Bezahlen der Übernachtung bestaunen wir den großen Shop und werden auf die Möglichkeit der Sauna hingewiesen. 18:00 Uhr die Männer – 19:00 Uhr die Frauen – auch hier in der Wildnis muss alles seine Ordnung haben. Durch unsere Ankunft um 17:30 Uhr verzichte ich auf dieses Highlight und wir verbringen die Zeit bis 19:00 Uhr mit der Zubereitung unseres Abendessens bestehend aus Zwiebelsuppe und Polenta mit Steinpilzen. Während Sonja die 70° warme Sauna genießt blättere ich im Hüttenbuch und finde dadurch heraus, daß viele Einheimische, die diese Tour machen bereits 60 Jahre oder älter sind – ein Hoffnungsschimmer für mich, daß ich in 30 Jahren auch noch dem Outdoor-Leben fröhnen kann. Nach der Sauna versuchen wir uns noch an einem Kaiserschmarren der Sorte Trekkingmahlzeiten. Da wir in unseren abendlichen Gesprächen durch Klopfzeichen auf die Nachtruhe ab 22:00 Uhr aufmerksam gemacht werden, endet dieser Tag hier.

19.04.2009: Alesjaure (Zwangs-)Ruhetag

Schon am Ende des Tages und vor allem in der Nacht können wir feststellen, daß starker Wind aufgekommen ist. Durch den kleinen Kamin, der sich in jedem der 4-Bett-Zimmer gefindet, ist das immer stärker werdende Heulen des Windes immer lauter wahrnehmbar, sodaß diese Nacht durch oftmaliges  Aufwachen geprägt ist. Am Morgen die Bestätigung – die friedliche, sonnige Winterlandschaft hat sich in eine stürmische, kalte und gefährliche gewandelt. Blick zum Fenster nach einer stürmischen, kalten Nacht Schon beim Versuch, das Toilettenhüttchen aufzusuchen, müssen wir zwei Anläufe nehmen, und wirklich unsere komplette Montur einschließlich Gesichtsvermummung und Brille aufbieten, um den Weg zu schaffen. Die Hüttenwartin wiederholt für uns den schwedischen Wetterbericht auf englisch, spricht eine Sturmwarnung aus, und rät strengstens von allen Touren zu anderen Hütten ab. Die knapp 30 Meter entfernte Hütte bei Schlechtwetter So können wir uns diesen Tag ausschließlich auf das Hüttenleben konzentrieren. Alesjaure besteht aus 3 Hütten für Gäste mit insgesamt 86 Betten. Eine weitere Hütte beherbergt einen reichhaltigen Shop, eine kleine Cafetaria und die Wohnung für den Hüttenwirten. Weiters gibt es noch eine Notfallshütte mit Notfallstelefon, 2 WC-Hütten mit insgesamt 6WCs und eine Sauna ! Wir haben bisher auf den Hütten ausschließlich Schweden getroffen. Laut Hüttenbuch, in welches wir uns jeden Tag eintragen, schauen hie und da auch Reisende anderer Nationalitäten vorbei. Diesen extra Tag in Alesjaure verbringen wir in unserer Hütte mit ca. 10-12 Schweden alle jenseits der 50 Jahre. Sie leben das Hüttenleben in Perfektion vor. Kaum angekommen wird Holz gesägt und gehackt und der Ofen des Aufenthaltsraumes beheizt. Echte Wintertrekker lassen sich durch Schlechtwetter nicht vom Holzhacken abhalten Gleichzeitig schwirrt ein anderer Trupp emsiger Hüttenbewohner aus, um Wasser aus einem ins Eis geschlagene Wasserloch eines vorbeifließenden Flusses zu holen. Verschmutztes Wasser wird in Kübeln gesammelt und in die dafür vorgesehene Grube geschüttet und verschmutztes Geschirr umgehend abgewaschen und in die dafür vorgesehenen Plätze der Gemeinschaftsküche geräumt. Dies alles in einem Tempo, das uns ungeübten Hüttenbenutzern nur das Zuschauen übrig läßt. So haben wir erst nach 2 Tagen als „Schmarotzer“ nachdem der Wind am nachmittag schon nachgelassen hat auch einmal zu Säge und Hacke gegriffen. Nachdem es am Vortag sich zeitlich nicht ausgegangen ist, konnte ich heute das Sauna-Erlebnis nachholen. Da es keinen Strom gibt, wird sowohl der Sauna-Ofen selbst als auch das kochende Wasser für die Dusche mittels Holz erhitzt. Das kochende Wasser wird natürlich noch mit Flußwasser welches vor dem Saunagang reichlich besorgt werden muß auf angenehme Temparaturen zusammengemixt. In der Sauna, die ich mir mit 6 schwedischen Pensionisten teile, hat es 70°.  Nicht soviel wie gewohnt, aber ein beachtlicher Wert in Anbetracht des noch immer tobenden Sturmes und einer Außentemparatur von -7°C. Wie überhaupt die Szene nackt vor sich hinzuschwitzen und gleichzeitig den Blick auf die tiefverschneite Winterlandschaft des Alesjaure zu werfen, sich tief in mein Gedächtnis einbrennen wird. Nach dem Saunagang waren dann auch die „alten Schweden“ aufgetaut und stellten neugierige Fragen betreffend unserer Ausrüstung und dem weiteren Verlauf unserer Tour. Dem Schlechtwettertag verdanke ich die Entstehung dieses Tagebuches Nach reichlichen Abendessen und der Nachricht, daß das Wetter morgen wieder besser werden soll, legen wir uns hoffnungsfroh schon um 21:30 Uhr ins Bett um morgen gestärkt zu sein für unsere dritte Etappe

20.04.2009: Alesjaure – Tjäktja

Ein Blick aus dem Fenster bestätigt erfreulicherweise die gestrige Wetterprognose. Durch den gestrigen Sturm verbunden mit Schneefall wurden sämtliche Spuren verwischt und wir können diesen Tag bei leichtem Wind und leichtem Schneefall unsere Tour fortsetzen. Direkt vor der Alesjaure-Hütte haben wir unsere erste Abfahrt am 3. Tag unserer Tour – ca. 10m Höhenunterschied! Anschließend geht es regelmäßig leicht bergauf, durch das Alesvagge immer einem Fluß entlang, der jedoch in dieser Landschaft nur schwer auszumachen ist. Da Sonja mich vorangehen läßt darf ich die erste Spur durch diese frisch verschneite Landschaft ziehen. Es ist ein tolles Gefühl  einen neuen Weg zu gehen, eine neue Spur zu schaffen und so kann ich nun ein klein wenig die Faszination des Tiefschneefahrens in frisch verschneiten Hängen verstehen. Heute können wir eine neue Spur im Schnee ziehen Aufgrund der Erfahrungen der letzten Tage hanteln wir uns vorsichtig von Andreaskreuz zu Andreaskreuz, da wir nun wissen, wie schnell die Bedingungen umschlagen können und man die Orientierung verlieren kann. Nach ungefähr 2-3 Stunden treffen wir auf halbem Weg erstmals seit 3 Tagen wieder auf Gegenverkehr. Zwei Finnen (einer davon gebürtiger Katalane) waren wie wir einen Tag auf der Hütte eingeschlossen. Sie sind beide mit Pulka unterwegs und offensichtlich auf Fototour. So werden wir schon beim Zulaufen auf die beiden mehrmals fotografiert, und müssen in der mittlerweile durchscheinenden Sonne mehrmals posieren. Unsere Begegnung mit zwei Finnen Von hier aus kann man auch schon die am Eingang des Tjäktja-Passes liegende Tjäktja-Hütte sehen. Doch wie bereits öfter bei dieser Tour ist es noch ein langer Weg vom ersten Auftauchen der Hütte im Blickfeld bis zum Erreichen dieser Hütte. So brauchen wir noch ca. 1 Stunde und müssen noch 200 Höhenmeter überwinden. Der Hüttenwirt begrüßt uns beim Eintreffen schon freudig per Handschlag und befragt und neugierig, ob noch weitere Schiläufer kommen werden. Wahrscheinlich war es ihm in den letzten beiden Tagen zu einsam. Diese Einsamkeit währt nur kurz, den kurz darauf kommen noch 8 weitere Gäste, sodaß diese für 20 Personen gedachte Hütte immerhin halbvoll ist. Darunter auch erstmalig welche, die ungefähr in unserem Alter sind, nämlich 2 Ärztinnen aus Kiruna. Mit einer von beiden geht’s dann auch gleich ans Wasser holen – aus 2 Gründen besonders erwähnenswert – um zum Wasserloch zu gelangen muss zuerst 200m im Schnee überwunden, und eine Hängebrücke überschritten werden. Außerdem kann man den Kanister aufgrund des niedrigen Wasserstandes nicht direkt eintauchen. Dazu gibt es beim Eisloch einen Kübel und einen Trichter sowie eine 3m lange Eisenstange um den Kübel im kleinen Bach richtig kippen zu können. Ansonsten verbringen wir einen geruhsamen Tag auf der Tjäktja-Hütte. Sonja hackt ein wenig Holz, wobei die Hackvorrichtung erwähnenswert ist. Der Holzscheit wird aufgestellt und auf ihm ein Metall-Keil aufgesetzt. Danach wird ein Metallgewicht, welches auf einer Stange auf und ab bewegt werden kann in die Höhe gehoben und auf den Keil fallen gelassen. Nach zwei bis drei Wiederholungen ist der Holzscheit somit auseinandergehackt. Eine Holzzerkleinerungsmaschine für Damen Unverständlicherweise erfreut sich diese Vorrichtung vor allem bei Frauen großer Beliebtheit. Am Nachmittag spielen wir noch Uno, lesen Bücher und Zeitschriften und erfreuen uns besonders an den Licht-Schattenspielen, die die Sonne zwischen den Wolken auf die durch den Wind geschaffenen bizarren Schneeformationen zaubert. Malerische Brücke im Licht-Schatten-Spiel

21.04.2009: Tjäktja – Sälka

Während des üblichen Frühstücks (Knuspermüsli mit Milch auf Pulverbasis) überbringt uns der Hüttenwirt den Wetterbericht für den Tag. Kein Niederschlag, wenig Wind – allerdings dicht bewölkt. Ausreichende Voraussetzungen um den Tjäktja-Pass mit einer Höhe von 1.140m der höchste Punkt unserer Tour in Angriff zu nehmen. Nach ungefähr einer Stunde gleichmäßigen Anstiegs erreichen wir dann die Nothütte am Tjäktjapass eine spitzgiebelige kleine Hütte mit Ofen. Die Notfalls-Hütte am Tjäktjapass Schon am Vortag habe ich mich über die erste etwas längere Abfahrt unserer Reise gefreut. Rasch die Felle von den Schiern genommen und unter der Jacke aufbewahrt, die Schuhe und die Bindung fixiert, und los geht’s. Schon die ersten Meter holen mich auf den Boden der Tatsachen zurück, und zeigen mir, daß ich ein reiner Pistenfahrer bin. Insbesonders die extrem schlechten Sichtverhältnisse aufgrund des diffusen Lichtes und der kontrastarmen, durchgehend weißen Umgebung machen mir zu schaffen. Man fährt in ein weißes Nichts, plötzlich geht es steil bergab, dann landet man im absoluten Tiefschnee um gleich darauf wieder auf einer vom Wind freigelegten eisigen Stelle auszurutschen. So lande ich einmal im Tiefschnee und habe Glück, daß Sonja den Teller meines Stockes, der bei dem Sturz in voller Länge im Schnee versunken ist, wieder findet. Ansonsten geht es einigermaßen dahin und ich kann sogar fast zu den schwedischen Ärztinnen aufschließen, die uns bergauf eine gute halbe Stunde voraus waren. Auch Sonja, die die Felle oben gelassen hat, ist am Ende der Abfahrt weit hinter mir. Sonja bei der Abfahrt vom Tjäktja-Pass Als ich die Felle wieder aufgezogen und Schuhe und Gamaschen wieder gerichtet habe, ist sie aber auch schon wieder hier. Den Rest des Tages geht es immer im Tjäktjavagge leicht abwärts, wobei man sich immer von einem kleinen Hügel zum nächsten orientiert. Durch den ständigen Wechsel zwischen Schneeverwehungen und vereisten Stücken, die in diesem diffusen Licht unvermutet auftauchen, gestaltet sich dieser leicht Weg als ziemlich anstrengend. Hinter einem der Hügel tauchen dann plötzlich die Sälka-Hütten auf und wir sind froh sie erreicht zu haben, da der Wind am nachmitag wieder stärker wird und manche Böe schon an den vor einigen Tagen erlebten Sturm erinnert. Am Abend kam noch ein wenig die Sonne durch Da auch diese Etappe mit 13km relativ kurz ist, haben wir ausreichend Zeit die vorhandene Sauna zu benutzen – diesmal gibt es ein Zeitfenster für Ladies und zwei für Mixed. Dabei kommen wir auch mit Torsten, einem Deutschen ins Gespräch, von dem wir die ersten Spuren bereits im Hüttenbuch der Tjäktja-Hütte  gefunden haben. Er ist alleine unterwegs, war schon 7 Mal in Lappland und noch in ziemlich vielen anderen interessanten Ecken der Welt. Torsten, ein über 70-jähriger Langläufer aus Deutschland und Rene

22.04.2009: Sälka – Singi

Als ich am morgen so zwischen 06:00 und 07:00 Uhr durch Aktivitäten in unserem vollbesetzten 8-Bett-Zimmer aufgeweckt werde und aus dem Fenster schaue, sehe ich einen komplett wolkenlosen Himmel. Der erste Kilometer unserer heutigen Etappe Diese freudige Nachricht möchte ich sofort Sonja überbringen, doch diese liegt nicht in ihrem Bett. Sie ist in der Nacht kurzerhand von dem Schnarcher in unserem Zimmer in ein anderes geflüchtet. Durch das tolle Wetter und die Nachricht, daß es am Nachmittag schlechter werden soll motiviert, schaffen wir den Aufbruch knapp nach 08:00 Uhr. Torsten begleitet uns das erste Stück, er möchte an diesem Tag Kebnekaise-Fjällstation erreichen. Heute sieht man, welchen gewaltigen Einfluß das Wetter auf so eine Tour haben kann. Unser Begleiter Torsten und Rene Die gleiche leicht hügelige Strecke, die am Vortag so beschwerlich war, ist heute wunderschön. Links und rechts sind alle Berge und Täler zu sehen, so auch der Kebnekajse mit 2.117m der höchste Berg Schwedens. Alle kleinen Unebenheiten und Eisflächen können im hell-strahlenden Sonnenlicht rechtzeitig erkannt und umfahren werden. Überhaupt gleitet heute mein breiter Schi mit Fell fast genauso gut, wie Torsten´s Langlaufschi ohne. Der Drakryggen (Drachenrücken) - ein markanter Weggefährte Vielleicht danken es mir die Felle, daß sie die gestrige Nacht in der warmen Hütte verbringen durften, da der Kleber nach dem gestrigen Runter- und Raufgeben der Felle in der Kälte nicht mehr gut gehalten hat. Aufgrund des Superwetters verschwinden Jacke, Mütze und Handschuhe rasch im Rucksack und wir beschließen, obwohl die Rasthütte am Kuoperjakka schon in Sichtweite ist, eine ausführliche Pause im Freien zu machen. Dabei wird die herrlichen absolute Ruhe, die hier herrscht nur kurz von einer Gruppe von 4 Motorscootern unterbrochen, die in Richtung Hukejaurestugang unterwegs ist. Gut können wir auch jene Schiwanderer beobachten, welche anstelle der offiziellen Wintermarkierung zu folgen lieber direkt auf dem Tjäktjajakka-Fluß Richtung Singi-Hütten unterwegs sind. Torsten überlegt eine Zeit, ob er nicht gleich in eines der seitlichen Gebirgstäler gehen soll um nach einer Gletscherüberquerung zur Tarfalla-Hütte nördlich der Kebnekaise-Fjällstation zu gelangen. Er entschließt sich dann aber doch dafür, uns noch ein Stückchen zu begleiten, und dann wie geplant, kurz vor den Singi-Hütten nach Austausch der E-Mail-Adressen Richtung Osten zu verlassen. Eines der seltenen Bilder auf dem wir beide zu sehen sind Auf den letzten Kilometern zu den Hütten kommt es erstmals auf unserer Tour vor, daß wir den Weg nicht so wählen können, wie wir wollen, sondern einige durch den häufig wehenden Wind freigesetzte Stellen entsprechend umrunden müssen. Sonjas Füße haben heute leider einen besonders schlechten Tag erwischt, und so ist ihr Schnaufen und Stöhnen bei den Schrägfahrten oder kurzen Abfahrten bereits von Weiten zu hören. Mit den letzten Sonnenstrahlen des Tages erreichen wir um 13:00 Uhr die Singi-Hütten. In weniger als einer Stunde hat sich der wolkenlose Himmel zugezogen, starker Wind kommt auf und man kann sich gar nicht mehr vorstellen, wie paradiesisch es noch am Vormittag war. Gerade angekommen wollen wir voller Eifer gleich Wasser holen. Ein schwerer Fehler angesichts der enormen Distanz zwischen dem Wasserloch und der Hütte. Wasserholen im Winter in Lappland Auf der anderen Seite kann ich mit 2 vollen 25-Liter-Kanistern im Schlepptau das Gefühl des Pulkaziehens testen. In der Hütte sitzen lange Zeit 4 Schweden mit uns am Tisch und warten auf ihr telefonisch geordertes Scooter-Taxi, welches sie und ihre 2 Pulkas nach Kebnekaise bringen sollen. Die Wartezeit verkürzen sie sich mit einer netten Plauderei mit uns, welche abwechselnd in Englisch, Deutsch oder Schwedisch geführt wird. Die Nacht verbringen wir wieder in einem komplett besetzten 6-Bett-Zimmer, doch das Hüttenbuch gibt Hoffnung, daß es bei der nächsten Hütte besser werden könnte.

23.04.2009: Singi – Kaitumjaure

Während alle Hüttenbewohner der letzten Nacht ihren Weg nach Kebnekaise fortsetzen, gehen wir wie schon die letzten beiden Tage weiter Richtung Süden entlang des Tjäktjajakka-Flusses. Wie die meisten bricht auch diese Gruppe Richtung Kebnekaise auf Entlang ist eigentlich falsch gesagt, da wir uns die meiste Zeit eher auf oder am Ufer des Flusses bewegen. Gerade auf den vom Wind freigelegten Stellen wird einen bewußt, daß sich unter einer 50cm bis 1m dicken Eisschicht ein reißender Fluß befindet – ein mulmiges Gefühl macht sich manchmal breit. Apropos Wind – dieser bläst heute wieder heftiger, jedoch zu unserem Glück in die richtige Richtung, sodaß manche Böe so stark anschiebt, daß man ein paar Meter ohne Kraftanstrengung über das Eis schlittert, wenn man die Arme ausbreitet. Nach ca. 2 Stunden flußabwärts erreichen wir nach einer Woche wieder die Baumgrenze. Da der Wind nun schwächer wird, gönnen wir uns in dem enger gewordenen Flußtal eine Pause. Dabei stellen wir fest, daß man abseits der festgetretenen Scooter und Langlaufspur gleich einmal bis zum Oberschenkel im Schnee versinkt. Die Temperatur ist erstmals seit dem Beginn unserer Reise über 0°C und so kommen wir auf dem feuchten Schnee trotz der häufigen kurzen Bergabfahrten nicht so richtig ins Gleiten. Im Tal vor uns ist bereits der langgestreckte Kaitumjaure-See zu sehen. Der zugefrorene Kaitumjaure erstreckt sich vor uns Nur noch wenige Minuten und wir erreichen die auf einer Anhöhe gelegenen Kaitumjaure-Hütten. Die Hüttenwirtin ist zwar ausgesprochen nett, spricht aber nur schlecht englisch. Dies hält uns jedoch nicht davon ab, im kleinen Shop eine Heidelbeersuppe (Blabärsoppa), Knäckebrot und Käse (Ost) aus der Tube sowie Tortellini mit Käsefüllung zu kaufen. Die Suppe entspricht eher einer dünnflüssigen Marmelade, schmeckt aber sehr gut. Nur zuviel sollte man nicht davon essen, wenn man einen Zuckerschock vermeiden möchte. Auch über den Käser aus der Tube machen wir uns gleich her, er ist am ehestens mit Streichkäse von daheim vergleichbar. Frühlingsputz auf der Kaitumjaure-Hütte Da am Nachmittag die Sonne herauskommt und es auf der Terrasse sehr angenehme Temparaturen hat, verbringen wir fast den ganzen restlichen Tag dort und blicken gespannt, ob sich noch jemand der Hütte nähert, oder ob wir alleine bleiben. Das Glück ist auf unserer Seite und so gehört die 18-Mann-Hütte uns ganz alleine. Ein Genuß, der auf unserer Norwegen-Tour 2001 selbstverständlich war, und der uns hier schon sehr abgegangen ist. Da wir somit die Ausstattung der Hütte ausreichend nutzen können, möchte ich sie hier kurz beschreiben. In den Hütten gibt es 2-3 Schlafräume und einen gemeinsamen Aufenthaltsraum. Alle Räume sind mit einem eigenem Holzofen ausgestattet und somit getrennt heizbar. In den Schlafräumen befinden sich 2-4 Stockbetten und meist noch eine Gelegenheit nasse Wäsche in der Nähe des Ofens aufhängen zu können. In den Gemeinschaftsräumen stehen ein oder zwei Tische mit ausreichend Stühlen, Hocker oder Bänken. Weiters hat jeder Gemeinschaftsraum zumindest eine Küche mit 2 oder 3 Doppelkochstellen, die mit Gas betrieben werden. Es gibt eine große Anzahl von Töpfen verschiedener Größe immer einen Meßbecher, umfangreiches Besteck und zumindest einen Flachquirl, der besonders praktisch beim Anrühren von Milch, Suppe etc. ist. Wir genießen das Kochen in der verwaisten Kaitumjaure-Hütte Das vom Fluß geholte Frischwasser wird in 12-Liter-Kübel aufbewahrt, das Abwaschwasser ebenso. Große mobile Abwaschbecken zum Geschirrwaschen und eine Abtropftasse machen die Standardausstattung komplett. Diese standardisierte Ausstattung ermöglicht es, daß man nach den ersten ein bis zwei Nächten, die man in einer Hütte verbracht hat in jeder anderen sofort auskennt und heimisch fühlt. So schlafen wir wie üblich um 10:00 Uhr abend in unserem heutigen „zu Hause“ ein.

24.04.2009: Kaitumjaure – Teusajaure

Nach einer erholsamen Nacht in unserer eigenen Hütte müssen wir leider feststellen, daß das schöne Wetter vom Vortag nicht gehalten hat. Es hat 5°C über 0, alles grau in grau und leichter Regen. Da heute aber nur eine 9km Etappe zur nächsten Hütte auf uns wartet, soll das Wetter nicht so eine große Rolle spielen. Eine vermummte und durchnäßte Sonja Die ersten 3km geht es noch sanft im Tal des Kaitumjakka entlang, bevor der Weg ca. 200hm auf einen Sattel hinaufführt. Bemerkenswert ist, dass die Markierungen ca. 2km alle millimetergenau in einer Linie stehen, und sich dieser eigentlich harmlose Anstieg bei Eisregen und mittlerweile aufgekommenen Wind als langwieriger und mühsamer als erwartet herausstellt. Oben angekommen machen wir bei nachlassenden Wind eine kleine Pause, zu lange wollen wir aber mit unserem teilweisen nassen Gewand nicht ruhen. Eine kurze Pause bei naßkaltem Wetter Nun soll die Abfahrt folgen, vor welcher wir schon beim Durchlesen unserer Reiseliteratur gewarnt wurden. Ca. 1km vor dem Ziel gibt es die Möglichkeit entweder die 3km lange Scooter-Umfahrung zu wählen oder die direkte steile Variante durch den niedrigen Birkenwald. Wir verlassen uns auf unsere alpine Schiausrüstung und versuchen die Abfahrt, Sonja mit Fellen und ich ohne. Während die ersten beiden Kurven noch ganz gut klappen, hört plötzlich die Markierung auf und die Spuren der Vorgänger verlaufen sich bzw. sind mittlerweile  weggeschmolzen. Dies und der tiefe, nasse Schnee, der teilweise trägt, teilweise nachgibt, führen dazu, daß ich zweimal Bodenkontakt bekomme (einmal muß ich zum Aufstehen zuerst den Rucksack abschnallen) und Sonja  bei der Hälfte die Schi abschnallt und es zu Fuß probiert. Schließlich schaffen wir es dann doch beide die am Teusajaure gelegenen Hütten zu erreichen. Die Hüttenwirtin war gerade langlaufend am See unterwegs, so können wir in aller Ruhe die Hütten inspizieren. Wir entscheiden uns für die kleinere der beiden Hütten, bei der erstmalig 3 Stockbetten und die Küche in einem Raum integriert waren. Gemütliches Essen in einer der Teusajaure-Hütten Der Gang zum Wasserholen bzw. Holzhacken erweist sich als schwierig, da man bei jedem zweiten Schritt in der scheinbar stabilen Schneedecke einbricht, und sich teilweise bis zur Hüfte im Schnee steckend wieder findet. Dies führt dazu, daß der Verkehr zwischen den Hütten sowohl von der Hüttenwirtin als auch den Gästen ausschließlich auf Schiern stattfindet, was ein recht witziges Bild ergibt. Da Teusajaure auch eine jener 3 Hütten auf unserem Weg ist, die über eine Sauna verfügt, nutzen wir dieses Angebot und treten auch diesen Weg auf unseren Schiern an. Im Unterschied zu den bisherigen Saunas, bei denen sich die Temperatur zwischen 60° und 70° einpendelte ist es hier „höllisch“ heiß und wohl absichtlich kein Thermometer angebracht. Die Saunahütte am Teusajaure, der "heißeste" Platz Lapplands Dadurch daß das Warmwasser für die im Vorraum der Sauna durchgeführte Körperhygiene direkt im Ofen der Sauna zubereitet wird, führt das bei gut eingeheizten Ofen zu einer Menge kochenden Wasser direkt im kleinen Saunakammerl und somit zu einer Art Daueraufguss und einer geschätzten Luftfeuchtigkeit von 100%.  So haben wir es diesmal nur ca. 3*5 Minuten in der Sauna ausgehalten und sind anschließend ermüdet und ermattet von dieser Extrembelastung in unserem gemütlichen Zimmer eingeschlafen.

25.04.2009: Teusajaure – Vakkotavare – Saltoluokta

Das Wetter hat sich am nächsten Tag leider nicht wesentlich verändert. Der 400m Aufstieg auf der anderen Seite des Teusajaure ist in Nebel/Wolken gehüllt. So beschließen wir ein paar Wegpunkte ins GPS zu speichern, damit wir im Falle des Falles auch im Nebel richtig vorankommen. Die heutige Etappe führt nach Vakkotavare einer Hütte direkt an einer kleinen Strasse, bei der einmal pro Tag ein Bus vorbeikommt. Wenn wir diesen Bus, der um 15:30 Richtung Saltoluokta fährt erreichen, können wir den „Ruhetag“ in Alesjaure ausgleichen, und wären wieder genau im Plan. So brechen wir früh auf und sehen bei der ca. 1km langen Querung des Teusajaure vor uns zwei Männchen, die den gleichen Weg nehmen. Der Anstieg zum Sattel zwischen Gappetjakka und Guolbanjakka erweist sich aufgrund der Schneebedingungen als extrem anstrengend. Man steigt auf eine stabil scheinende Schneedecke – wenn man Glück hat ist sie auch stabil, wenn nicht (ungefähr jeder zweite Schritt) bricht man einen halben bis dreiviertel Meter ein und kommt nur mit großer Anstrengung wieder heraus. Die einheimischen sagen daß der Schnee „rotten“ sei und auch wenn man nicht schwedisch kann, kann man sich einen Reim darauf machen, was damit gemeint ist. Trotzdem haben wir die vor uns gestarteten Langläufer rasch überholt, da diese mit den schmäleren Langlaufschiern noch mehr kämpfen müssen als wir. Mit Guido und Til auf unserem Weg nach Vakkotavare Sobald wir etwas höher gekommen sind, wird das Terrain flacher und der Schnee wieder stabiler und so holen uns die beiden wieder ein. Die beiden stellen sich als Guido und Till vor, kommen aus Deutschland und sind ungefähr in unserem Alter. Auch sie wollen den Bus nach Saltoluokta erwischen und wir beschließen gemeinsam zu gehen, obwohl die beiden auf dem zuerst leicht bergauf und dann leicht bergab führenden Weg mit Ihren Langlaufschiern wieder einmal leichter vorankommen würden. Da wir den Bus erwischen wollen machen wir nur eine kurze Pause auf der Hälfte der Strecke. Aufgrund unserer Eile das einzige Bild von unterwegs Der Nebel von der Früh hat sich gehoben, deswegen können wir uns neben den obligatorischen Andreaskreuzen auch an der markanten Spitze des Vakkodakvaratja orientieren, der die abschließende letzte Abfahrt des ersten Teil des Kungsleden „bewacht“. Mittlerweile hat noch ein älteres schwedisches Pärchen zu uns aufgeschlossen, sodaß wir insgesamt zu sechst sind, als sich der Blick auf den Suorvajaure öffnet. Dieser Teil einer über 100km langen Kette von Stauseen bietet ein eindrucksvolles Bild, da durch den sich stark ändernden Wasserstand sich riesige Verwerfungen gebildet haben und die gefrorene Oberfläche eher einem Gletscher als einem See gleicht. Auch ein riesiger Hochspannungsmast ist das optische Zeichen dafür, daß wir uns der Zivilsation wieder nähern. Aber vorher müssen wir noch die lange und berüchtigte Abfahrt nach Vakkotavare hinter uns bringen. Endlich kann ich von den lange über mehr als 100km mitgeschleppten Tourenschien profitieren. Die „Abfahrt“ ist ein ca. 0,5m breiter Weg durch ein niedriges Birkenwäldchen. Nicht sehr elegant aber doch sehr zügig kann ich mit nur einem Beinahesturz runterfahren und um 13:30 Uhr bei der Vakkotavare-Hütte abschwingen. Zu meiner großen Überraschung taucht nur wenige Minuten später Sonja auf, die ebenfalls das ganze heruntergefahren ist. Die beiden Deutschen und das schwedische Pärchen hat nach den ersten paar Kurven entschieden abzuschnallen und taucht erst über eine halbe Stunde später auf. Währenddessen haben Sonja und ich schon unser ganzes nasses Zeug in der Vakkotavare-Hütte zum trocknen aufgehängt und nutzen die Tagesunterkunft zum Wärmen von Tee und Suppe. Der Bus hält plangemäß um 15:30 Uhr und bringt uns in einer 1-stündigen Fahrt nach Kebnats, im Sommer die Anlegestelle des Schiffes  nach Saltoluokta. Im Winter werden wir von einem netten Fahrer auf einem Schneescooter mit Anhänger in Empfang genommen, der uns anbietet unser Equipment den kurzen Web bis zum Ufer zu bringen. Die Fahrt mit dem Scooterschlitten über den Stora Sjöfallet Dort angekommen fühlen wir uns wie zu Weihnachten, da der Schneescooter eine Kette von 3 Wägen hinter sich aufgefädelt hat, die mit Rentierfellen ausgekleidet sind, um das Sitzen bequemer zu machen. Der Fahrer informiert uns kurz über die Eisbedingungen auf dem Stausee und daß wir uns um das Wasser durch das wir durchfahren keine Sorge machen sollen, da es Schmelzwasser auf einer noch immer halben Meter Eisdecke darstellt. Nach einer abenteuerlichen Fahrt erreichen wir Saltoluokta, beinahe ein kleines Dorf von Hüttchen mit einer Mountain-Lodge mit Shop, Restaurant und gemütlichen Empfangsraum mit Kaminfeuer. Till, Guido und Rene beim gemütlichen Kamin in Saltoluokta Nach dem ereignisreichen Tag und dem obligatorischen Besuch der Sauna beenden wir diesen Tag in einem extrem kleinen Vier-Bett-Zimmer welches wir uns mit den heute kennengelernten Til und Guido teilen.