Nach sehr ruhiger Nacht wache ich auf, als unsere Zimmergenossen gerade mit dem Einpacken fertig sind.

Sie wollen offensichtlich das heutige schöne Wetter ausgiebig zum Klettern ausnutzen. Das Frühstücksbuffet ist das bisher reichhaltigste, mit Speck, Schinken und verschiedenen Sorten Brot, Müslivariationen, Topfencreme mit Ribiselgelee und Orangensaft, sodaß wir uns gut auf unsere heutige letzte volle Tagesetappe vorbereiten können.

Elias ist sogar so motiviert, dass er vorschlägt, den ca. 30 Gehminuten entfernten Aussichtspunkt Richtung Inntal aufzusuchen. Dieser Vorschlag wird von uns natürlich gerne angenommen und so gehen wir ohne Gepäck den Drischlsteig und genießen auf der Aussichtsplattform die schöne Aussicht und machen Fotos.

Anschließend geht es wieder mit Rucksäcken auf unseren heutigen Weg zunächst über eine Grasflanke hinauf in das Tal, welches der Scharnitzbach gegraben hat. Von dort aus kann man gut einige der Klettersteige sehen, die der Grund für den guten Besuch der Muttekopfhütte sind. Obwohl der Weg nun gleichmäßig angenehm aufsteigend Richtung Scharnitzsattel geht, ist es aufgrund der hohen Temperaturen und der direkten Sonneneinstrahlung doch anstrengender als in den letzten Tage. Die letzten Höhenmeter geht es zwar steiler, aber immer in gut zu gehenden Serpentinen bergauf. Dort treffen wir ein deutsches Pärchen beim Kartenstudium. Sie suchen verzweifelt einen direkten Weg über den Felsgrat zum Muttekopf. Dieser Weg ist aber weder in unseren Karten eingezeichnet noch irgendwie erkennbar. Abgesehen davon würde ich mir mit den leichten Turnschuhen des Mädchens nicht einmal die „normalen“ Wege zutrauen.

Oben angekommen poste ich mein erstes Foto der Reise auf Facebook mit dem Steinmännchen, meinem Rucksack und einem schönen Bergpanorama im Hintergrund.

Der Bergabweg auf der anderen Seite Richtung Hahntennjoch hat es dann in sich. Zuerst kommen noch ein paar gut versicherte Felsstellen, doch dann folgen teilweise unzureichend gesicherte steile Schotterfelder, bei denen es unmöglich ist, nicht zahlreiche Steine auf den Weg ins Tal zu schicken. Ausgerechnet hier kommen uns noch zwei Pärchen entgegen und wir müssen sie zuerst passieren lassen, um sie nicht mit Steinschlag zu gefährden. Dieses Stück ist das erste wo der übliche Spruch „den Weg hätte ich nicht in umgekehrte Richtung gehen wollen“ auf keinen Fall angewendet werden kann. Schließlich überwinden wir auch das und ein Blick retour offenbart wieder eine Felswand, bei der man sich den Durchstieg von unten so gar nicht vorstellen kann.

Sobald wir die Felsenlandschaft verlassen haben, lassen wir uns ins trockene Moos sinken und legen eine gemütliche Mittagspause mit kurzem Nickerchen von Heinz ein. Vom nahen Hahntennjoch sind bereits einige Motorräder zu vernehmen. Elias dauert unsere Pause zu lange und so macht er sich bereits einige Minuten vor Heinz und mir auf den Weg. Es sind nur noch wenige Meter und einige Serpentinen durch niedrigen Latschenwald bevor wir das Hahntennjoch erreichen. Dies stellt mit seinen dutzenden brummenden Motorradfahrer, einem großen Parkplatz mit vielen Autos und einer Imbissbude beinahe einen kleinen Zivilsationsschock nach 8 Tagen Ruhe in den Bergen dar.

Deswegen setzen wir gleich auf der gegenüberliegenden Seite den Anstieg zur Anhalterhütte fort. Elias können wir nur mehr hie und da in großer Entfernung ausmachen. Der Weg ist stark frequentiert, der Ausflug zur Anhalterhütte und retour vom Hahntennjoch aus ist sehr beliebt. Beim Anstieg überhole ich auch einen Wanderer mit geschätzten 150kg, der sich Schritt für Schritt schweißgebadet vorankämpft. Obwohl das Steinjöchle mit 2.198Hm verglichen mit den Scharten der letzten Tage nicht sonderlich spektakulär ist, wurde doch ein Gipfelkreuz angebracht.

Vermutlich um den Tagestouristen auch einen Gipfelsieg mit Foto zu bescheren. Elias wartet dort auf uns und so geht es gemeinsam die letzte halbe Stunden bergab auf die Anhalter Hütte, die sich außen und innen Ihr Aussehen aus der Gründerzeit bewahrt hat.

Sehr resch ist auch die Wirtin, die beim Einquartieren sehr ungehalten ist, weil ich die für Elisabeth und Reinhard reservierten Plätze im Laufe der Woche nicht storniert habe – Asche auf mein Haupt. Auch andere Wanderer werden ebenso „freundlich“ begrüßt, wie wir den Gesprächen im Gastgarten der Hütte entnehmen können. Während wir am Nachmittag wieder einmal Jolly spielen, wird es plötzlich laut, denn ein Hubschrauber taucht auf und landet unmittelbar neben der Hütte, sodass wir unsere Karten gut festhalten müssen. Nach wenigen Minuten hebt er wieder ab, um kurz darauf wiederzukommen und ein kleines Fohlen in einem Netz aufzunehmen um es ins Tal zu transportieren. Kaum ist der Hubschrauber über dem Kamm verschwunden, kommt er ohne Pferd wieder retour, um ein drittes Mal zu landen. Keine Ahnung warum er dreimal landen musste, aber Heinz konnte zumindest ausreichend Fotos machen.

Wir beziehen unser Quartier im zweiten Stock (ohne Aufzug !) ein kleines Matratzenlager mit 7 Plätzen mit einem Vorhang vom Gang getrennt. Eine warme Dusche ist auf dieser Hütte nicht vorhanden und so verbringen wir den restlichen Tag in der der dunklen aber recht gemütlichen Gaststube.

Es gibt 4 bis 5 Wahlmöglichkeiten für das Abendessen, die Liste wird im Laufe des Abends immer kürzer. Ich probiere ein Gamsgulasch und irgendwann knapp vor Einbruch der Dunkelheit trifft auch der 150kg-Mann auf der Hütte ein.