Archiv der Kategorie: Norwegen 2017

Durchquerung der Hardangervidda-Wildnis in 7 Tagen von Finse nach Haukeliseter

26.08.2017: Wien – Oslo – Finse

Schon seit einer Woche stand mein neuer wasserdichter Rucksack von Exped bereit und mit ihm fast alle Ausrüstungsgegenstände. Dank dichtem beruflichen Programm in den letzten Tagen wanderten die letzten Ausrüstungsgegenstände erst in letzter Minute hinein und zwei Kleidungsstücke kurzfristig wieder hinaus. Auch die Sonnenbrille durfte nicht mit. Wir verlassen knapp vor 08:00 das Haus und meine Familie bringt mich mit dem Auto zum Flughafen. Dabei nehmen wir auch Conny mit, die am Handelskai auf uns wartet. Conny ist das erste Mal bei einer längeren Reise dabei und ich hoffe, dass sie im Unterschied zu ihren bisherigen Erfahrungen diesmal auch ein gutes Gruppenerlebnis haben wird.

Am Flughafengate

Am Flughafen ist wieder einmal das Gepäck ein Problem. Die an Connies Rucksack angebundenen Stöcke sind gefährdet, verlorenzugehen und so wird aus Ihrem kleinen Rucksack mit Stöcken ein Plastikkokon, der beim Großgepäck eingecheckt wird. Der Mann beim Schalter sagt uns, dass man Wanderstöcke mittlerweile problemlos ins Handgepäck mitnehmen kann. Ich werde das vor meiner nächsten Reise genau checken, denn ich habe diesmal auf die Mitnahme von Stöcken hauptsächlich aufgrund der Transportproblematik verzichtet. Unser Flugzeug hebt pünktlich ab und die Reise vergeht wie „im Flug“, da Conny und ich uns angeregt unterhalten. Am Flughafen in Oslo kommen beide Rucksäcke vollständig am normalen Gepäcksförderband an, das ist für mich immer ein Grund zum Durchatmen, denn nun sollte mit dem Gepäck nichts mehr schiefgehen. Zwei Minuten vor Abfahrt des Flughafenbuses treffen wir bei der Station ein, doch zwei Leute vor uns baut der Busfahrer seinen mobilen Check-In ab und verweist uns auf den nächsten Bus, obwohl noch Plätze frei gewesen wären. Zum Glück haben wir keinen Zeitdruck und fahren mit dem nächsten Bus (30 Minuten später) nach Oslo. Das Wetter in Oslo ist bewölkt aber trocken mit Temperaturen um 17 Grad, welch wohltuende Abwechslung zum angesagten Hitzewochenende in Wien mit bis zu 35 Grad. Circa eine halbe Stunde nach Abfahrt erreichen wir plangemäß den Busterminal in Oslo an den ich von einer früheren Reise noch dunkle Erinnerungen habe. Ich packe mein Taschenmesser aus und wir befreien Connies Rucksack von seiner Plastikhülle. 5 Gehminuten vom Busterminal entfernt befindet sich der Bahnhof, von wo aus es mit dem Zug nach Finse weitergeht.

Toilette mit Bankomatkarte

Der Speisesaal von FinseAm Bahnhof testet Conny die WC´s, bei denen man die Gebühr von NOK 20 (ca. 2 EUR) mit Karte entrichten kann, während ich unsere deutschen Mitwanderer Reinhold und Evelyn anrufe, mit denen wir uns am Bahnhof verabredet hatten. Reinhold kenne ich von meiner Ausbildung zum Bergwanderführer und ich war 2013 mit ihm in Mallorca mit, nun gibt es sozusagen den „Gegenbesuch“. In der großen ehemaligen Bahnhofshalle, die nun mit allerlei Essensläden gefüllt ist, treffen wir uns und setzen uns noch kurz zu einem Kaffee zusammen, da noch etwas Zeit bis zur Abfahrt des Zuges ist. Für Evelyn ist Norwegen und das Wandern über eine Woche von Hütte zu Hütte mit größerem Rucksack ebenso wie für Conny eine Premiere, aber beide Damen machen einen fitten Eindruck. Mit ein bisschen zusätzlichem Reiseproviant steigen wir um 15:30 in unseren Zug Richtung Bergen, der uns in 4,5 Stunden nach Finse bringen soll.

Reinhold im Zug nach Bergen

Schon kurz nach der Abfahrt bleibt er stehen und eine Durchsage berichtet von technischen Problemen, doch dies ist nach 10 Minuten erledigt und es geht plangemäß weiter. Wir unterhalten uns gut untereinander und auch mit einem gegenübersitzenden Pärchen aus Holland, die ebenfalls mit Rucksack ausgestattet den Hardangerjokulen umrunden möchten. Überhaupt wird der Zug vorwiegend von Rucksacktouristen genutzt von denen wir vermutlich den Einen oder Anderen in den nächsten Tagen noch sehen werden. Der Zug startet in Oslo auf Meeresniveau und bringt uns auf 1.222 Meter Seehöhe zur Bergstation Finse.

Anfahrt mit dem Zug

Je näher wir unserem Ziel kommen, desto einsamer wird die Landschaft und desto weniger Wolken sind am Himmel. So erreichen wir um 20:00 Uhr den Ausgangspunkt unserer Tour bei fast wolkenlosen Himmel und einem tollen Blick auf den Hardangerjokulen und den Finsevatnet.

Wegweiser am Bahnhof Finse

Die „Finsehytta“ unsere Unterkunft für heute Nacht, die vom norwegischen Wanderverein DNT geführt wird, liegt wie eine Burg auf einer Halbinsel im Finsevatnet und ist nicht zu übersehen. Mit uns wandern ca. 10 weitere Zugreisende hinüber und checken in die bereits gut gefüllte Hütte ein. Ein Reservieren von Plätzen im Vornherein war leider nicht möglich und so werden uns dank unserer späten Ankunftszeit Matratzenplätze im Aufenthaltsraum zugewiesen.

Der Speisesaal von Finse

Das Abendessen ist ein unglaublich üppiges Buffet mit diversen Lachs, Wurst- und Käsesorten, allerlei warmen Gerichten und einer unglaublichen Auswahl an Nachspeisen (Tiramisu, Topfenkuchen, Cappucinoparfait,…). Die zahlreichen Gäste sitzen wie Sardinen nebeneinander, obwohl das Buffet in zwei Schichten (19:00 Uhr und 21:00 Uhr) serviert wird. Wir sind ein wenig überrascht und überrumpelt von der großen Anzahl von Gästen, da wir es uns doch einsamer vorgestellt hatten, aber das kann ja noch kommen. Eine norwegische Lehrerin plaudert noch ein wenig mit uns und wir können uns nur schwer losreissen in unser Matratzenlager, in welchen außer uns noch 6 andere Leute schlafen.

Der erste Schlafplatz

Aber es ist warm und gar nicht so laut abgesehen von den weintrinkenden und feiernden Gästen im Nachbarraum :-).

27.08.2017: Finse – Rembesdalseter

In der Nacht bin ich ein paar Mal kurz aufgewacht, aber erst als es um ca. 06:00 Uhr draußen ausreichend hell ist, stehe ich auf. Der Himmel ist nach wie vor wolkenlos und ich nutze die Ruhe für zwei Runden um das Haus zum Einfangen der tollen Morgenstimmung. Auch Reinhold erkundet ein wenig den Finsevatnet um sich die Zeit bis zum Frühstück zu vertreiben.

Der spiegelnde Finsevatnet

Conny hat dank des Schlafsackes, den ich für sie mitgenommen habe und transportiere, eine halbwegs warme Nacht gehabt. Nur Evelyn lag unmittelbar neben einem Durchsichtsfenster zum benachbarten Aufenthaltsraum und konnte aufgrund der langen Aktivitäten dort nicht besonders gut schlafen. Das Frühstücksbuffet setzt nahtlos dort an, wo das Abendbuffet aufgehört hat und es bietet eine letzte Möglichkeit sich mit einer Riesenauswahl den Bauch vollzuschlagen. Vor dem Aufbruch um ca. 08:45 Uhr kaufen Conny und ich noch ein Merino-Langarm-Shirt des DNT um NOK 499,– (ca. 55 EUR) und ich hole mir noch den DNT-Schlüssel für die unbewirtschafteten Hütten. Vor der Hütte erwischen wir noch einen anderen Gast für ein Startfoto und dann geht unsere Tour los.

Vor dem Aufbruch

Die ersten Kilometer gehen wir auf dem Rallarvegen, einem sehr populären Radweg, der sich insgesamt über 100km entlang der Bergenbahn den Berg hoch und runterschlängelt. Auch um die frühe Uhrzeit herrscht schon einiger Radverkehr und wir müssen öfter Platz machen. Nach ca. 3km verlassen wir den Radweg und überqueren einen alten Teil der Bahnstrecke und unsere Durchquerung der Hardangervidda beginnt.

Reinhold auf den alten Gleisen

Wir lassen die letzten Ferienhäuschen der Norweger hinter uns und überqueren den Zufluss zum Finsevatnet auf einer der typischen norwegischen Sommerbrücken.

Die erste Sommerbrücke

Nun geht es ein längeres Stück bergauf immer mit Blick zurück auf unsere gestrige Unterkunft. Reinhold bewundert immer wieder die Spuren der Gletscher, die man auf den Steinen erkennen kann, während wir langsam die Vegetationszone verlassen, und zum Schluss nur mehr zwischen Steinen und alten Schneefeldern unterwegs sind. Das Wetter ist nach wie vor perfekt und so bieten sich herrliche Blicke auf den Hardangerjokulen und seinen Ausläufern, die in diverse Gletscherseen kalben.

Steinmann

Nach einem längeren fast ebenen Stück erreichen wir den höchsten Punkt des heutigen Tages mit knapp 1.500m Höhe und einem fantastischen Ausblick. Ich überrede Conny zu ein paar Sprungfotos vor dem herrlichen norwegischen Gebirgspanorama. Trotz des Sonnenscheins kühlt man bei 10 Grad Temparatur und leichten Wind schnell ab und so wird der Rest der Gruppe schon ungeduldig, als meine Gipfelzigarette noch nicht ausgehen möchte.

Ausblick vom Rastplatz

Gerade als wir gehen wollen, holt uns ein Schweizer Pärchen ein, die gestern mit den Zug mit uns gefahren sind aber ca. doppelt so schwere Rucksäche tragen als wir, da sie mit dem Zelt unterwegs sind.

Vor dem Gletschersee

Wir setzen den Weg fort, der immer ein wenig bergab und wieder ein Stückchen bergauf geht und passieren Gletscherseen, Schneefelder, schroffe Felsen und einmal sogar ein Zelt, das am Wegesrand steht.

Wegweiser

Insgesamt treffen wir heute am Weg ca. 15 Wanderer, das sind auch noch immer mehr, als ich erwartet hätte. Als es langsam in Richtung Abstieg zum Rembesdalsvatnet geht, hören wir immer wieder ein leises Glockenläuten. Kurz darauf sehen wir auch die ersten Schafe, die überhaupt fast die ersten Tiere sind, die wir in der einsamen Wildnis entdecken. Der Weg zum heutigen Etappenziel führt uns zuerst über steil abfallende Steinplatten, und dann das letzte Stück über einen engen, sehr steilen Weg mit einigen starken Stufen, der am Ende des Tages nicht so leicht zu bewältigen ist.

Rembesdalseter-Hütten

Als wir nach ca. 6,5 Stunden Gesamtgehzeit die Hütten erreichen, unterhalten sich gerade drei deutsche Jugendliche mit einem älteren dänischen Herren, der sich später als Tore vorstellt. Die zwei Mädchen und der Bursch haben kurz Pause gemacht und setzen den Weg Richtung Kjeldebu fort, somit müssen wir uns die Hütte nur mit Tore und seinem Freund teilen.

Unser Hüttengenosse Tore

Die Hütten von Rembesdalseter sind unbewirtschaftete Hütten mit einem kleinen Shop. Die beiden Hütten sind jeweils mit einer Kücheneinrichtung (Arbeitsplatte, Kästchen, Gasherd, Geschirr, Besteck), einem Holzofen und mehreren Stockbetten eingerichtet. Im Shop kann man Nudeln, Reis, Haferflocken, Packerlsuppen und Dosen mit Fleisch, Fisch und Gemüse kaufen. Die Ausgaben muss man aufschreiben und gemeinsam mit der Bezahlvollmacht für die Hüttenübernachtungen in den Safe in der Hütte einwerfen. Beim Anfeuern des Ofens hilft Tore mit reichlich Spiritus nach, wobei er fast die Spiritusflasche selbst in Brand setzt. Dies sei die norwegische Art Feuer zu machen, erklärt er uns. Für das Abendessen entscheiden wir uns für Nudeln und versuchen, aus einer Tomatensuppe, einer Pizzasauce und Gemüse aus der Dose, sowie ein paar getrockneten Tomaten aus meinem Vorrat eine sinnvolle Sauce zu machen, was auch ganz gut klappt. Reinhold geht sich kurz nach dem Abendessen für 5 Minuten hinlegen und wacht erst am nächsten Tag in der Früh wieder auf. Wir restlichen drei plaudern noch mit Tore und bewundern, wie er noch Rotwein und Entrecote aus seinem Rucksack zaubert und gemeinsam mit seinem Freund verzehrt.

Unser Zimmer in Rembesdalseter

Im Laufe des Abends bekommen wir noch Besuch von einer holländischen Gruppe, die neben der Hütte zeltet (5 Zelte für 5 Personen) und einem deutsch/schweizer Pärchen, das beschließt, die Nacht in der zweiten Hütte zu verbringen. Um 22:30 endet dieser herrliche erste Wandertag auf der Hardangervidda.

28.08.2017: Rembesdalseter – Liseth

Wieder ca. um 06:00 Uhr wache ich auf, und nutze die Einsamkeit in der Früh, um das Frühstück vorzubereiten. Mit Haferflocken eingeweicht in warmer Milch (gemacht aus Wasser und Trockenmilch), ein paar Nüssen und Trockenfrüchten aus meinem Vorrat und ein wenig Zucker und Honig lässt sich ein gutes und nahrhaftes Porridge machen. Dazu gibt es je nach Geschmack Kaffee, Tee oder Kakao. Die heutige Etappe ist wie die gestrige auf der norwegischen Karte des DNT mit 7 Stunden Gehzeit angegeben. In meinem Conrad Stein Wanderführer ist jedoch von 10,5 Stunden die Rede ! Weder die Streckenlänge noch die Höhenmeter geben jedoch einen Hinweis darauf, warum wir heute so lange unterwegs sein sollten.

DNT Wegweiser

Trotzdem machen wir uns schon um 08:30 Uhr auf den Weg. Bis letztes Jahr führte dieser Weg noch um die Nord- und Westseite des Sees, doch bei einem Gletscherlauf 2016 wurde eine Sommerbrücke zerstört und nicht wieder aufgebaut. Also gehen wir ein kleines Stückchen des gestrigen Weges zurück, bevor wir in südlicher Richtung auf das Ende des Stausees Rembesdalsvatnet zusteuern.

Die Gletscherzunge des Hardangerjokulen

Der Weg ist einfach zu gehen und bietet immer wieder schöne Rückblicke auf die Zungen des Hardangerjokulen und unsere gestrigen Übernachtungshütten. Nach etwas über einer Stunde Gehzeit erreichen wir eine Staumauer.

Auf der Staumauer des Rembesdalsvatnet

Diese wurde gebaut, um die unterhalb im Simadalen lebenden Menschen vor den Gletscherläufen zu bewahren. Hinter der Staumauer geht es fast 1000m steil hinunter. Wir überqueren diese Mauer, um auf der anderen Seite sehr steil an der Ostflanke des Rembesdalvatnet aufzusteigen. Der Weg wurde erst vor kurzem errichtet, und ist stellenweise sehr sumpfig und an anderen Stellen sehr felsig, sodass der Aufstieg mit dem Gepäck am Rücken wirklich beschwerlich ist.

Steiler Anstieg durch das Gemüse

Dafür gewinnt man rasch an Höhe und schon bald geht es vergleichsweise flacher dahin. Als wir gerade ein wenig Rast machen, sehen wir, dass uns Tore und sein Freund schon dicht auf den Fersen sind. Kurz darauf schließen sie auf uns auf und wir gehen ein paar Meter gemeinsam, aber schon bald müssen wir sie ziehen lassen, denn für 69 Jahre legt Tore ein zügiges Gehtempo vor. Wir erreichen die Abbruchkante ins Simadalen und können tief in den Fjord hinein bis zum Meer blicken.

Tore fotografiert uns vor dem Abgrund

Als wir in Richtung des weiteren Weges schauen, sehen wir wettermäßig wenig Erfreuliches. Dort wo wir in 2-3 Stunden gehen werden, regnet es stark und diese Front zieht in unsere Richtung. Also beschließen wir unsere Mittagspause schon ein wenig früher beim Abstieg zum Skykkjedalsvatnet zu machen, und unsere Regensachen anzuziehen oder zumindest vorzubereiten. Knapp vor dem Wiederaufbruch nach der Pause schließt auch das deutsch/schweizerische Pärchen auf, welches gestern in der anderen Hütte übernachtet hatte.

Meeresfjord im Simadalen

Wir setzen unseren Weg steil bergab fort, als uns die ersten Regentropfen erreichen. Durch ein paar hellere Flecken am Himmel bleiben wir optimistisch, was das Wetter betrifft und ich lasse meine Regenhose vorerst eingepackt. In Anbetracht des sogleich folgenden steilen Anstieg über gut 250 Höhenmeter eine weise Entscheidung. Immer wieder müssen wir von Schlammpfützen aus startend Schwung nehmen, um den nächsten Schritt auf nassen, schrägen Felsplatten zu setzen, was für Kraft und Gleichgewicht durchaus eine Herausforderung ist.

Reinholds Lieblingslandschaft

Aber auch diesen zweiten steilen Anstieg das Tages meistern wir bravourös und der anschließend sanft ansteigende Weg mit einigen Sümpfen am Weg zum Pass zwischen Store Ishaug und Vesle Ishaug ist demgegenüber fast ein Spaziergang. Als wir die Passhöhe erreichen, sehen wir im nächsten Tal vor uns unser heutiges Etappenziel liegen – die Feriensiedlung Fossli mit dem Liseth Pensionat. Zur Aufmunterung leuchtet dieser Streifen des Tales in der Sonne auf, während wir noch die letzten Spritzer aus der dichten Wolkendecke ernten.

Ein schmaler Streifen Sonnenschein

Trotzdem machen wir eine weitere Pause mit Aussicht. In der Ferne im Süden ist sogar schon der markante Berg Harteigen zu sehen, den wir in drei Tagen erreichen werden. Ab nun geht es „nur“ noch knapp 600 Höhenmeter bergab, da wir alle aber schon einige Stunden Gehzeit hinter uns haben, zieht sich dieses Stückchen nach Liseth. Die Häuser werden nur langsam größer und wir passieren einige Bäche, Seen und Sümpfe mit entsprechender Vegetation, die Reinhold von seinem zukünftigen Gartenbiotop träumen lassen.

Die ersten Ferienhäuser von Fossli

In der letzten Stunde wird wenig gesprochen und wir sind alle froh, als wir die ersten Häuser von Fossli passieren und kurz darauf die gelben Häuser des Liseth Pensjonat erreichen. Hier konnte ich ein kleines Ferienhäuschen für 4 Personen reservieren, welches wir kurz darauf beziehen. Reinhold und ich lassen den Damen bei den warmen Duschen den Vortritt, während wir uns mit einem norwegischen Bier um 90 NOK aufwärmen.

Ankunft im Liseth Pensjonat

Danach wechseln wir ab und ich betrachte nach dem Duschen die Reibstellen, die sich auf den Innenseiten meiner Füsse unterhalb des Knöchels in meinen neuen Meindl-Lederschuhen gebildet haben. Reinhold empfiehlt mir, für die nächsten Tage ein Tape draufzukleben, was ich auch tun werde. Das Abendessen nehmen wir heute gemeinsam mit dem deutsch/schweizerischen Duo ein, welches auch heute das angenehme Ferienhäuschen dem mitgeschleppten Zelt vorzieht. Mit einem guten Abendessen (gebratenen Lachs oder Rentiergulasch) und interessanten Gesprächen im ansonsten leeren Speisesaal endet unser zweiter Wandertag.

29.08.2017: Liseth – Viveli

Nach den letzten beiden Tagen mit jeweils sieben Stunden Gehzeit sollte dieser dritte Tag mit 4,5 Stunden Gehzeiten laut Buch eigentlich ein Spaziergang werden. Daher beschließen wir, das letzte ausgiebige Frühstücksbuffet für die nächsten Tage auch zu genießen. Es gibt Lachs, Wurst, Käse, verschiedene Brötchen, Waffeln und vieles mehr und beim Plaudern mit dem deutsch/schweizerischen Pärchen vergeht die Zeit wie im Flug. Nach dem Reinigen des kleinen Häuschens brechen wir schließlich gegen 09:30 Uhr auf. Das Wetter sollte nach der letzten uns bekannten Vorhersage eigentlich eher schlecht sein, doch zumindest am Morgen zeigt sich gleich einmal die Sonne. Wir beginnen mit einigen Asphalt-Metern durch die Feriensiedlung Fossli, bevor es kurz durch ein Wäldchen hinunter geht zur Überquerung des Flusses Bjoreio.

Von der Brücke des Bjoreio

Anschließend geht es wieder bergauf auf sehr schwierigen Terrain. Der Weg führt über vom nächtlichen Regen nasse, schräge Felsplatten, die stellenweise von einer ganz dünnen Schlammschicht überzogen sind, sodass jeder Schritt vollste Konzentration erfordert.

Mühsamer Aufstieg über Felsplatten

Durch die Sonne und relativ warmen Temparaturen dampft es hier auch ziemlich und wir kommen mehr ins Schwitzen als die bisherigen Tage. Schließlich erreichen wir wieder die Baumgrenze und es öffnet sich ein breites Tal, dem wir nun für einige Zeit folgen. Hinter uns sind die kleinen Ferienhäuschen und die A7-Strasse noch sichtbar, vor uns stoßen wir auf ein kleines Haus, das wir aus der Ferne für einen Weinkeller halten.

Lichtspiele auf nasser Felsplatte

Unser Weg steigt kontinuierlich an, bevor wir nach ca. 2 Stunden Gehzeit auf ca. 1200m den höchsten Punkt des heutigen Tages erreichen. Dort machen wir möglichst windgeschützt unterhalb einer kleinen Böschung auch eine kurze Mittagspause.

Mittagspause im Windschatten

Anschließend geht es ein wenig bergab und wir passieren zwei Wanderer, die gerade ihr Zelt abbauen, was die einzige Begegnung des heutigen Tages darstellt. Immer öfter stoßen wir am Weg auf unüberwindbare Schlammlacken und weichen großräumig aus.

Am Weg ins Veigdalen

Schließlich erreichen wir den Fluss Berdölo, den wir schließlich auf einer schmalen Brücke überqueren. Ab nun geht es mit dem Gatsch erst richtig los. Fast jeder Schritt will wohl überlegt sein, will man nicht seinen kompletten Schuh im Schlamm versenken. Dadurch ist das Gehen auch um einiges mühsamer als gedacht, und es scheint so, als ob wir heute erstmals länger als auf der norwegischen Karte angegeben brauchen werden.

Planken durch den Sumpf

In der Ferne sehen wir einen Parkplatz mit ein paar Autos an dem ich mich dunkel erinnern kann. Als ich vor 20 Jahren die Hardangervidda von Süd nach Nord durchqueren wollte, habe ich diese mit meiner damaligen Lebensgefährtin aufgrund des schlechten Wetters verlassen. Insofern bin ich sehr dankbar, dass wir heute bereits den dritten Tag ohne nennenswerten Regen hinter uns bringen.

Moltebeeren begleiten unseren Weg

Nach einer Stunde in den Sümpfen geht es über einen kleinen Sattel, womit das Terrain wieder einfacher wird. Als wir den höchsten Punkt erreichen, sehen wir schon die Häuser bei Viveli, unserem heutigen Etappenziel. Das Conrad Stein Buch macht auf eine kleine Abkürzung aufmerksam, bei der man den Fluss Veig schon früher überquert und sich fast einen Kilometer Wegstrecke spart. Diesen Tipp nehmen wir dankbar an und erreichen bald darauf nach insgesamt 5 Stunden Gehzeit die Vivelid Fjellstue. Bei dieser Hütte konnte ich reservieren, obwohl sie eigentlich schon geschlossen hat. Wir treffen den Mann der Besitzerin an, der die Hütte winterfest macht und uns unsere Zimmer zuweist.

Schuhtrockner in Viveli

Die Duschen sind sehr neu und sogar mit Haarfön ausgestattet, es gibt einen eigenen Trockenraum mit speziellen Schuhtrocknern und unser Aufenthaltsraum ist mit einen Kamin und einigen alten Möbel sehr gemütlich. Conny nutzt den Haarfön gleich, um Ihre Körpertemparatur wieder auf ein verträgliches Maß zu bringen, sie hat wirklich großes Glück, dass sich das Wetter von der besten Seite zeigt, wenn sie schon bei diesen warmen Temparaturen friert :-).

Die Stube von Viveli

Auch einen kleinen Shop für unser Abendessen und unser Frühstück zeigt uns der Mann. Als Reinhold sich nach Wein erkundigt, hat er das Herz des Wirten erobert. Er geht mit ihm in die Speisekammer und zaubert neben dem Wein noch Wurst, Käse und Marmelade für das Frühstück hervor. Trotzdem bleibt die Auswahl für das Abendessen überschaubar und wir folgen der Empfehlung des Wirten und kaufen zwei Dosen mit Fleisch und Erbsen und kochen einen Reis dazu. Reinhold übernimmt das „Kochen“ und beschert uns den bisherigen kulinarischen Tiefpunkt der Reise. Das Fleisch sieht aus, wie aus einer Inzersdorfer Dose und die Erbsen werden aufgrund der Farbe für Kichererbsen gehalten. Zum Glück schmeckt das Essen nicht ganz so schlecht, wie es riecht, doch wir beschließen, künftig keine Dosen mehr zu kaufen. Das schlechte Essen tut der guten Stimmung keinen Abbruch, immerhin spendieren Reinhold und Evelyn ein Gläschen Wein. Wir amüsieren uns über einen einsamen Wanderer, der anklopft und trotz des Regens, der inzwischen eingesetzt hat, lieber beschließt, einen Zeltplatz zu suchen. Ein deutsches Pärchen kommt etwas später noch an und wir reden ein wenig mit Ihnen über Ihre bisherigen Wandererfahrungen in Norwegen.

30.08.2017: Viveli – Hadlaskard

Der gestrige Tag war aufgrund des Schlammgehüpfes doch anstrengender als geglaubt. Daher beschließen wir eine leichte Abänderung der Wanderprogrammes. Anstatt heute über die Hütten Hedlo und Hadlaskard zur Torehytte zu gehen, steuern wir heute nur Hadlaskard an und nehmen morgen die direkte Variante von Hadlaskard nach Litlos.

Viveld Fjellstua

Aus dem restlichen Reis von gestern mache ich als Frühaufsteher einen Milchreis und gemeinsam mit etwas Brot und den Goodies von gestern bekommen wir ein gutes Frühstück zusammen. Um 09:00 Uhr brechen wir auf, und ehe ich mich orientiert habe, marschieren meine drei Mitwanderer nach einer ersten Brücke gleich mal falsch Richtung Stavali. Zum Glück fällt mir der Irrtum rasch auf und ich kann meine Gruppe auf den richtigen Weg bringen. Auf diesem sehen wir auch gleich das Zelt des gestrigen abendlichen Besuchers.

Ein Zelt in der Morgensonne

Er steht einsam mit einem Kaffee auf einer Halbinsel zwischen zwei Flüssen und genießt die noch tief stehende Sonne. Unser Weg hingegen verläuft die ersten beiden Stunden mehr oder weniger entlang des Flusses Veig. Nur einmal geht es ein wenig vom Fluss weg ein Stückchen bergauf. Dabei rutscht Evelyn auf einer der zahlreichen Steinplatten aus und prallt auf die Hüfte, was zwar schmerzhaft ist, sie aber am Weitergehen nicht hindert.

Einer der zahllosen Seen

Durch die Sonne, die hinter den Wolken immer wieder durchscheint, bieten sich heute einige wundervolle Bilder von glitzernden Wasser, das die Berge herunterrinnt. Auch heute sind hie und da Schlammpfützen zu umgehen, aber verglichen mit gestern handelt es sich heute um einfaches Terrain. Die leichte Strecke erlaubt angeregte Unterhaltungen und so kommen wir rasch zur privaten Hütte von Hedlo, die aber schon vor einer Woche geschlossen hat.

Auch Spass muss sein

Trotzdem machen wir eine kurze Snackpause, während aus der Gegenrichtung ein einsamer asiatischer Wanderer aus dem Wald kommt, der jedoch keine Lust auf Kommunikation hat. Nachdem die Sonne nicht langfristig zwischen den Wolken hindurch kommt, bleiben wir nicht allzu lange und setzen unseren Weg fort in Richtung Hadlaskard.

Norwegischer Asphalt

Wieder zweigt der Weg ab vom Fluss Veig und über eine lange Reihe von Steinplatten, die fast wie ein asphaltierter Weg wirkt geht es in ein Nebental.

Findlinge am Weg

Wir passieren einige alte Steinhütten, die teilweise auch noch genutzt werden und einige Findlinge während wir langsam Höhe gewinnen und auf den Hadlaskardhalsen aufsteigen.

Evelyns Silhouette am Pass

Von dort hat man einen tollen Überblick über die Hütten von Hadlaskard und den hutförmigen Berg Harteigen, den wir schon vor zwei Tagen aus weiter Entfernung gesehen haben.

Blick auf Hadlaskard und Harteigen

Aufgrund des Windes am Pass gehen wir ein paar Schritte zurück und machen im Windschatten einiger riesiger Felsen unsere Mittagspause. Die Mittagspause wird wie meistens beendet, wenn Conny ihren ganzen Rucksackinhalt angezogen hat und Bewegung braucht, um Ihre Körpertemparatur im positiven Bereich zu halten. Unser Weg führt nun wieder bergab, immer die Hütten von Hadlaskard im Blick. Zunächst geht es steiler bergab und das letzte Stück nur mehr flach dahin über ein paar Bäche. Dabei kommen wir zwei Wanderern immer näher, die ich schon vor einigen Stunden vor uns den ersten Anstieg hochgehen sah.

Hadlaskard

Von Hadlaskard steigt Rauch auf, vermutlich werden gerade die frischen Brötchen gebacken, von denen uns schon in Viveli erzählt wurde. Wir erreichen die Hütten um knapp nach 13:00 Uhr und haben heute somit tatsächlich einen wanderfreien Nachmittag. Obwohl die Hütte kein Essen anbietet ist sie trotzdem nicht unbewirtschaftet, denn eine ältere Norwegerin kümmert sich um Sauberkeit, das Zuweisen der Plätze und das Backen der Brötchen. So erhalten auch wir unsere Zimmer zugewiesen – jeweils Zwei-Bett-Zimmer im oberen Stock der Hütte.

Der Shop in Hadlaskard

Den Nachmittag verbringen wir unterschiedlich. Conny nutzt die rucksackfreie Zeit, um ohne Gepäck ein wenig Richtung Stavali zu wandern, Reinhold und ich waschen einige unserer strapazierten Wäschestücke und Evelyn vertieft sich in ein mitgebrachtes Buch. Die Hütte liegt an einem Knotenpunkt mehrerer Wanderwege und so ist tatsächlich ein bisschen was los.

Aufenthaltsraum in Hadlaskard

Das Pärchen, das wir fast eingeholt haben, kommt ursprünglich aus Tschechien und der Mann hat eine Angelrute mit und versucht sein Glück im direkt neben der Hütte gelegenen Fluss. Ein norwegischer Jäger erreicht im Laufe des Tages die Hütte und erzählt von 1000en Rentieren, die er heute nicht weit von der Hütte entfernt gesehen hat. Eine Gruppe von vier älteren norwegischen Herren macht eine 3-Tages-Tour und interessiert sich für unsere Unternehmungen. Schlussendlich erreicht ein wenig später ein deutsches Pärchen die Hütte, wobei er mit geschätzten 120kg nicht die Idealstatur eines Wanderers erreicht. Sie warnen uns vor unserer morgigen Etappe durch das Grönodalen, für die sie 9 Stunden benötigt haben und die einige hochalpine Stücke enthalten soll. Wir lassen uns aber nicht verunsichern und kümmern uns stattdessen um unser Abendessen. Aufgrund der gestrigen Dosenerfahrung vermischen wir wieder einige Dinge aus dem Shop zu einer Tomatensauce (mit Fisch und Mais) und greifen wieder auf Nudeln zurück. Voll motiviert, versuche ich als Nachspeise aus einer Fertigmischung Palatschinken zu machen, was auf den vorhandenen Pfannen aber kaum möglich ist, da der Teig immer anklebt. Reinhold und ich verputzen die einzelnen Stückchen trotzdem, bevor wir über die steilen Treppen in den ersten Stock zu unseren Nachtquartieren gehen.

31.08.2017: Hadlaskard – Litlos

Der nächste Morgen zeigt sich wettermäßig wieder von der guten Seite, ein paar Wolken und viel blauer Himmel sind zu sehen, angeblich soll es nachmittags etwas schlechter werden. Kein Grund also nicht schon früh aufzustehen und aus den Vorräten des Shops in Hadlaskard wieder ein Porridge zu machen.

Porridge Frühstück

Als Abwechslung gibt es dazu ein paar der frisch gebackenen Brötchen mit Margarine und Marmelade. Wir gehen heute direkt über das Veigdalen und das Grönodalen nach Litlos und sparen uns somit einen Tag gegenüber der urspünglichen Planung ein, den wir in den letzten beiden Tagen als Rückstand aufgebaut hatten. Die Strecke ist von den Höhenmetern her nicht spektakulär, aber streckenmäßig relativ lang. Also brechen wir gegen 08:30 Uhr auf, nicht ohne vorher die uns laut Hüttenplan zugewiesenen Allgemeinräume gereinigt zu haben. Solange wir wie die letzten Tage dem Fluß Veig stromaufwärts folgen, geht es durchschnittlich leicht bergauf, was in der „Ebene“ der Hardangervidda bedeutet, dass man sich jeden Höhenmeter mehrfach erarbeiten muss.

Mein wasserdichter Rucksack

Gleich zu Beginn ermöglichen die Morgenstimmung und die Sonne einige sehr schöne Fotos von Harteigen, kleinen Seen in denen sich die Landschaft spiegelt und endlosen Panoramen. Es scheint heute eine sehr einsame Etappe zu werden, denn wir sehen heute nur einmal zwei Jäger, die abseits unseres Pfades auf der Pirsch sind, ansonsten bleiben wir den ganzen Tag unter uns. Aufgrund der Erzählungen halten wir immer wieder Ausschau nach den Rentierherden leider bleibt uns das Erlebnis der Sichtung einer Herde jedoch versagt. Da ich genau die selbe Strecke schon einmal vor ca. 20 Jahren gegangen bin, warte ich auf einen Wiedererkennungseffekt, dieser stellt sich jedoch nicht ein.

von Stein zu Stein hüpfen

Wo damals nach starken Regenfällen viele Flüsse mühsam zu durchqueren waren, können wir diesmal liebliche Bäche durch einfaches von Stein zu Stein hüpfen überqueren. So kommen wir ohne große Pausen rasch voran und passieren bald eine Art Schlucht im Übergang vom Veig zum Grönodalen. Hier müssen wir ein wenig über Blockwerk gehen, von dem beschriebenen alpinen Charakter können wir jedoch wenig feststellen.

Die „alpine“ Stelle

Anschließend machen wir eine kleine Vormittagspause an einem schönen Aussichtspunkt über einen im Tal fließenden Flug, die angrenzenden Wiesen und die Jägerhütte Aramot.

Kartenstudium

Wir gehen weiter und müssen sogleich die Zuflüsse des soeben besichtigten Flusses überqueren, dies ist jedoch mit einigen Geschick und unter Zuhilfenahme der Stöcke ohne Naßwerden möglich. Anschließend folgt ein kurzer steiler Anstieg, für den wir aber prompt mit einem wunderbaren Rückblick auf die gesamte heute bereits zurückgelegte Strecke belohnt werden.

Panorama festhalten

Beim Blick nach vorne stellt sich nun endgültig „Hochebenen“-Feeling ein. Eine scheinbar endlose Weite aus Hügeln in einer Art Mondlandschaft, die nur hie und da von Flüssen und Seen unterbrochen wird, liegt vor uns. Außer ein paar Schneehühnern und Abdrücken von Schafen gibt es kaum Hinweise auf die Tierwelt und so sind wir froh, dass wir einander zum Plaudern haben. Die etwas verspätete Mittagspause nehmen wir irgendwo mittendrin in dieser Landschaft ein, unmittelbar neben einem kleinen Bach, der uns mit herrlich frischem Trinkwasser versorgt.

Wasser schöpfen bei der Pause

In der Weite vor uns ist der Berg Holken sichtbar, unterhalb dessen unser heutiges Ziel Litlos liegt. Wir steuern nun stundenlang auf ihn zu und die einzige Frage ist, ob wir ihn linkerhand oder rechterhand passieren.

Zum Glück gibts eine Brücke

Die größte Abwechslung sind zwei Abzweigungen. Die eine geht zur Hütte Bessa die andere ist die alte Variante der Verbindung Litlos – Hadlaskard. Als wir den Berg Holken nach einem letzten Anstieg erreichen, wissen wir, dass unser Ziel nicht mehr fern ist. Conny nimmt plötzlich ein Affentempo auf, um sicherzustellen, dass sie rasch bei der Hütte ist und die Unsicherheit beseitigen kann, ob wir auch heute wieder ein Zimmer zugewiesen bekommen.

Conny stürmt die Hütten von Litlos

Ich folge ihr und nach ca. 20 Minuten Abstieg tauchen unterhalb eines Felsens plötzlich die Hütten von Litlos am See Litlosvatnet auf. Diese Hütten sind bewirtschaftet, sie werden durch Helikopter und Wasserflugzeug mit frischen Lebensmitteln versorgt. Nach einem Bier, einer Dusche und Wechsel des Gewandes treffen wir uns wieder im gemütlichen Aufenthaltsraum der Hütte mit Blick auf den See. Dort können wir beobachten, wie Jäger Ihre Rentierbeute in einen großen Sack verpacken und ein Hubschrauber diesen zur nächsten Straße bringt.

Haufen von Rentierresten

Unmittelbar neben der Hütte ist auch eine kleine Jägerhütte, wo die Jäger ihre Rentiere zerlegen und für den Transport vorbereiten. Um Punkt 19:00 Uhr öffnet der Speisesaal, wo wir heute ein Drei-Gang-Menu (für umgerechnet EUR 35,–) serviert bekommen. Nach einer Suppe gibt es eine Art „Schlachtplatte“ mit teilweise schwer identifizierbaren Fleisch aller Art plus Kartoffeln und Karotten. Dabei ist auch eine Rentierwurst, die eigentlich ziemlich gut schmeckt, jedoch schnell von den am Tisch sitzenden Norwegern verspeist wird. Bei der Nachspeise einem Karamelleis macht Conny den Fehler, dass sie das Eis nicht annimmt, anstatt es an mich weiterzugeben, kann diesen Fehler aber zum Glück noch korrigieren ;-). Nach dem Essen treffen wir im Aufenthaltsraum auf die drei jungen Deutschen, die wir schon bei Rembesdalseter getroffen haben. Wir erfahren, dass sich die zwei Mädels und der Bursch erst bei der Zugfahrt kennengelernt haben, und beschlossen haben gemeinsam durch die Hardangervidda zu streifen. Mit der Planung des morgigen Tages schließen wir diesen Tag ab. Morgen werden Reinhold und Evelyn wie geplant nach Hellevasbu gehen, während Conny und ich die Route nach Middalsbu nehmen. Grund dafür ist, dass unser Flug früher geht und wir von Middalsbu bessere Chancen haben, den täglichen Bus nach Oslo am übernächsten Tag zu erwischen. Von Middalsbu aus wollen wir ein Taxi von Roldal rufen, die Dame am Schalter bei Litlos sagt uns die Nummer eines Taxidienstes und dass es in der Nähe der Middalsbu-Hütten auch ein Handysignal gibt.

01.09.2017: Litlos – Middalsbu

Das Frühstück in Litlos wird in Buffetform offieriert. Obwohl nicht mit dem Buffet von Finse vergleichbar, bietet sich ausreichende Abwechslung vom selbstgemachten Porridge.

Sommerbrück bei Litlos

Etwas wehmütig brechen wir auf, denn nach ca. einer Stunde trennen sich die Wege von Reinhold und Evelyn sowie Conny und mir. Zuerst gehen wir noch eine halbe Runde um den Litlosvatnet, bevor wir am gegenüberliegenden Ufer den letzten gemeinsamen Aufstieg absolvieren.

„Wildlife“ in der Hardangervidda

Dieses Wegstück ist mir von meiner ersten Tour noch in guter Erinnerung, da wir hier erstmals nach zwei Tagen mehr Sicht als 50m hatten. An der Wegkreuzung nach Hellevassbu ist es dann soweit. Passend zu meiner Stimmung verdunkelt sich auch der Himmel und lässt ein paar Regentropfen auf uns hinunter.

Abschiedsfoto

Wir verabschieden uns mit ein paar losen Plänen, was wir eventuell nächstes Jahr gemeinsam unternehmen. Conny und ich setzen den Weg bergab zum Fluss Kvenno fort, den wir mit seiner Seenkette die nächsten Stunden begleiten werden.

Da gehen sie dahin

Der Regen hat wieder aufgehört und der Weg verläuft sehr schön nie weit weg vom Wasser. Nach einiger Zeit erreichen wir den großen Findling Drykkjestein in dessen Schutz eine kleine Hütte errichtet wurde.

Drykkjestein

Im Unterschied zu gestern sehen wir heute auch einige andere Wanderer, die uns entgegen kommen. Immer wieder sind einige von der Seite kommenden Bächlein zu queren, aber wie schon die letzten Tage ist das möglich, ohne dabei nass zu werden. Im Schutze einer Böschung machen wir eine kurze Mittagspause, bevor wir unseren Weg fortsetzen und bald darauf den Beginn des Vivassdalen erreichen.

Entlang der Seenkette

Hier erhält Conny plötzlich eine SMS, was uns zeigt, dass wir der Zivilisation wieder näher kommen. Da es bei Middalsbu auch ein Signal geben soll, werden wir das Taxi erst am Abend rufen. Ab diesem Punkt geht es nun stetig bergab und es begegnen uns zahlreiche Leute, die entweder mit einer Rute oder einer Waffe ausgerüstet sind. Man merkt eindeutig, dass die Jagdsaison vorige Woche begonnen hat.

Ausblick auf Vivassvatnet

Unser Weg führt uns in mehreren Stufen hinab zum See Vivassvatnet, den wir noch umrunden, bevor uns nur noch ein letzter kleiner Anstieg um einen Bergrücken vom Erblicken der Middalsbu-Hütten trennt. Wir erreichen die Hütten um knapp nach 15:00 Uhr und brauchen zum Betreten erstmals den DNT-Schlüssel, da noch keine Wanderer vor uns angekommen sind. Es beginnt der Alltag auf norwegischen Hütten mit Holzhacken und Feuer machen und der Suche nach dem besten Schlafplatz.

Abstieg zur Middalsbu

Eine der beiden Hütten bietet gerade vier Schlafplätze, sodass wir uns für diese entscheiden. Etwas später trifft in der anderen Hütte ein wenig gesprächiger deutscher Jugendlicher ein und eine schwedische Mama mit zwei Kindern. Ich schnappe mir mein Handy und möchte eine kleine Runde um die Hütte machen, um das Taxi zu rufen. Dazu gehe ich Richtung der Talöffnung, wo wir heute mittag schon einmal kurz Empfang hatten. So weit ich auch gehe, mein Handy will keinen Empfang anzeigen. Plötzlich lande ich inmitten eines Schafabtriebes und frage einen der Schäfer ob er weiß, wo man hier Empfang hat. Er schickt mich zu der kleinen Häuseransammlung beim Stausee Valldalsvatnet. Dort frage ich wieder und mir wird ein Platz beschrieben, der weitere 10 Gehminuten entfernt ist. Endlich nach 45 Minuten zeigt mein Telefon einen Balken Empfangsstärke an, und ich kann ein Taxi nach Roldal für morgen 10:00 Uhr bestellen. Nach 1,5 Stunden bin ich von meiner „kurzen“ Runde wieder retour und Conny hat schon begonnen, das Essen vorzubereiten.

Abendstimmung bei der Middalsbu

Wir machen uns einen gemütlichen Abend mit etwas Kartenkunde und verbringen unsere letzte Nacht in der norwegischen Wildnis.

02.09.2017: Middalsbu – Roldal – Oslo

Stein mit guten Wünschen

Ein letztes Mal zeigt sich das norwegische Wetter von seiner besten Seite. Die Gelsen, die einem sonst das schöne Wetter verleiden, gibt es in dieser Spätsommerzeit zum Glück auch nicht mehr. Perfekter konnten die Bedingungen nicht sein.

Conny macht die Brücke
Auch ich versuche eine Brücke

Daher nutzen wir das schöne Licht der soeben aufgegangenen Sonne, für einige letzte Fotos in der norwegischen Natur. Anschließend reinigen wir die Hütte, versperren sie ordnungsgemäß und absolvieren unsere letzte kleine Wanderung. Mir ist die ganze Strecke bereits von meiner vortägigen Handyempfangssuche bekannt :-). Nach 30 Minuten erreichen wir den Stausee Valldalsvatnet und warten dort bis kurz nach 10:00 Uhr auf das bestellte Taxi.

Noch ein Wasserfall auf den letzten Metern

Dieses bringt uns in ca. 30 Minuten und für 700 NOK nach Roldal. Dort haben wir noch ausreichend Zeit, den dortigen Supermarkt genau unter die Lupe zu nehmen und ein paar Dinge zu kaufen (z.B. Tomaten), die wir die letzten Tage nicht haben konnten. Vollbepackt gehen wir zur Busstation von Roldal. Als der Bus um die fahrplanmäßige Uhrzeit nicht da ist, wird Conny etwas nervös.

Roldal

Immerhin ist es der einzige Bus des Tages und der letzte, der uns rechtzeitig nach Oslo bringt, um den Flug zu erwischen. Doch mit knapp 10 Minuten Verspätung taucht der Bus auf, und wir laden unser Gepäck ein. Eine halbe Stunde und viele wunderschöne Landschaftseindrücke später erreicht der Bus das Haukeliseter Fjellstue, wo unsere Wanderung ursprünglich hätte enden sollen. Ich mache gerade ein Foto, welches ich Reinhold und Evelyn schicken möchte, als die beiden plötzlich und unerwartet in den Bus einsteigen.

Haukeliseter

Sie sind heute bereits um 05:00 Uhr (!) in der Dunkelheit aufgebrochen, und nach 6,5 Stunden Gehzeit rechtzeitig um 12:00 Uhr in Haukeliseter angekommen, um den Bus zu erreichen. Die Wiedersehensfreude unsererseits ist groß, doch vor allem Evelyn ist ziemlich erschöpft und benötigt ein wenig Erholung. Fast die ganze restliche Busfahrt von über 5 Stunden sind wir damit beschäftigt, ein günstiges und zentral gelegenes Quartier in Oslo für unsere letzte Nacht in Norwegen zu finden. Dies ist in Skandinavien nahezu unmöglich und so kostet dann die Halbpension im Thon Hotel Terminus für Conny und mich in Oslo über EUR 200,– für zwei Personen. Reinhold und Evelyn finden etwas anderes auch ganz in der Nähe des Bahnhofes und so verbringen wir unerwartet auch den letzten Abend in Norwegen noch gemeinsam. Nach dem Abendessen verabschieden wir uns dann ein zweites und letztes Mal voneinander. Der Abend endet mit Handysurfen untermalt von Fussballbildern am Flachbildschirm im Hotel-Zimmer – Zivilsation, Du hast uns wieder 😉

03.09.2017: Oslo – Wien

Das Frühstücksbuffet in unserem Hotel ist wesentlich reichlicher als das gestrige gemeinsame Abendessen und so verlassen wir ausreichend gestärkt unsere Unterkunft für eine ca. 3-stündige Erkundungstour durch Oslo.

Vor dem Schloss

Dabei weihe ich Conny in das Geocaching ein

Conny beim Geocachen

und während wir die wichtigsten Sehenswürdigkeiten abgrasen können wir insgesamt vier Caches entdecken.

Sprungfoto

Die Tour führt uns zum Schloss, zum Rathaus und zum Hafen, sowie zum relativ neu errichteten Opernhaus.

Der neue Ikea-Katalog

Nach der Sightseeing-Runde holen wir das deponierte Gepäck aus unserem Hotel und nehmen diesmal den Zug zum Flughafen, der aufgrund der wesentlich kürzeren Fahrzeit bei gleichem Preis auf alle Fälle zu empfehlen ist. Bei der Heimreise treffen wir noch auf das gesamte österreichische U19-Fussballteam, das in Oslo ein 4-Nationenturnier gewonnen hat. Ansonsten verläuft der Flug ereignislos und wir landen in Wien bei der gleichen Temparatur (18 Grad), die wir in Oslo auch hatten.