Archiv der Kategorie: Lappland 2019

05.04.2019: Wien – Stockholm – Murjek

Die erste Wintertour im Rahmen von „Einfach Wandern mit Rene“ startet mit einem letzten Mal richtig  sattessen mit der Familie beim Chinesen in Korneuburg. Am Bahnhof Korneuburg nehmen wir die erste Mitreisende Gerlinde zum Flughafen mit. Dort treffen wir auf Heinz, Helga und Uyangaa und sind somit schon fast komplett – Sonja werden wir direkt am Flughafen Stockholm treffen. Während meine Familie die Anwesenheit am Flughafen nutzt, um eine Führung zu konsumieren, versuchen wir unsere Schi einzuchecken. Zum Glück habe ich für alle den Mittransport von Sportgepäck angekündigt, sodass keine Mehrkosten entstehen. Trotzdem dauert es ewig, bis wir unsere Schi endlich los sind. Umso rascher geht es zum Flugzeug – ein Startfoto unserer Gruppe vor dem Abflugsbildschirm und los geht das Abenteuer.

Unsere Truppe vor Beginn der Reise

Der Flug ist zum Glück pünktlich, denn zum Umsteigen in den Nachtzug nach Nordschweden verbleiben nur eine Stunde nach der Landung. Als unser komplettes Gepäck 30 Minuten nach der Landung hier ist, fällt einmal die erste Anspannung von mir ab – nun sollte nicht mehr viel schief gehen. Sonja, die eine abenteuerliche Anreise mit Zugverspätungen in Deutschland hatte, erwartet uns bereits am Flughafen und wir gehen rasch zum Bahnhof Arlanda C (im Terminal 5).

Komplett mit Gepäck

Der Bahnhof sieht ein wenig aus, wie ein Bergwerk und wirkt nicht besonders einladend, aber nach 10 Minuten Wartezeit steigen wir schon in unseren Zug ein. Ich bin gespannt auf die Luxusschlafabteile, die ich gebucht habe. Wir haben zwei Abteile mit je 3 Betten übereinander, etwas mehr Platz als üblich und einem eigenen Waschbecken. Zusätzlich gibt es eine geräumige Dusche am Gang, die mit einer Schlüsselkarte genutzt werden kann, die sich in jedem Abteil befindet.

Erwartungsvoll gehts mit dem Zug nach Nordschweden

Hier im Zug riecht es schon ein wenig nach Abenteuer, in den meisten Abteilen befinden sich Leute in Outdoor-Kluft und viele Schi und Rucksäcke sind zu sehen. Wir betrachten bei der Zugfahrt gespannt die schwedische Landschaft, freuen uns über die ersten Schneeflecken und staunen über den deutlich länger dauernden Sonnenuntergang.

06.04.2019: Murjek – Kvikkjokk – Parte

Obwohl die Betten im Zug breit und bequem sind, war die Nacht für mich sehr unruhig. Viele Male bin ich aufgewacht – offensichtlich bin ich noch immer ein wenig angespannt, solange die Reise noch nicht richtig losgegangen ist. Pünktlich um 06:57 springen wir in Murjek, einem kleinen Örtchen an der Bahnlinie, aus unserem Zug.

Am Bahnhof von Murjek

Überall liegt Schnee und die Temperaturen sind auch leicht unter 0 – wir sind also endgültig oberhalb des Polarkreises angekommen ! Für 07:00 Uhr habe ich ein Taxi bestellt, doch es ist vorerst nicht zu sehen. Stattdessen plaudern wir ein wenig mit der einzigen anderen Person, die ebenfalls aus dem Zug gestiegen ist. Es ist eine Belgierin, die nach Jokkmokk zu ihrem Mann fahren möchte, bevor sie auf eine Sarek-Tour aufbrechen werden.

I wart auf a Taxi, aber es kummt net

Um 20 Minuten nach sieben werde ich ein wenig nervös, ob das Taxi überhaupt kommt, doch gerade als wir uns die kleine Bahnhofsboutique (Öffnungszeit 07:30 Uhr) ansehen wollen, kommt ein kleiner Schulbus daher und gabelt uns auf. Die Belgierin nehmen wir auf den Weg nach Jokkmokk gleich mit. Nach einer Stunde in Jokkmokk bitten wir den Fahrer, kurz bei einer Tankstelle anzuhalten, wo wir uns mit Kaffee und ein paar Snacks eindecken. Die weitere Fahrt nach Kvikkjokk geht einer über 100km langen Sackgasse entlang, die meiste Zeit neben einem Stausee. Plötzlich wird der Fahrer langsamer, denn ein paar Rentiere traben gemütlich auf der Straße. Sie lassen sich auch dadurch nicht stören, dass wir die Tür des Busses öffnen, um ein paar Fotos machen zu können.

Schnappschuss aus dem Taxi heraus

Nach dieser willkommenen Unterbrechung geht es weiter und wir erreichen knapp nach 10 Uhr den Ausgangspunkt unserer Tour, das Örtchen Kvikkjokk mit der gleichnamigen Fjällstation. Ein letztes Mal nutzen wir ein WC mit Wasserspülung, dann füllen wir unsere  Teekannen frisch auf, ziehen das warme Langlaufgewand an und los geht´s. Wie in Abisko gibt es auch ein kleines „Starthäuschen“ zum Kungsleden.

Das Starthaus von Kvikkjokk

Parallel mit uns startet ein Pärchen mit Pulka. Sie gehen ungefähr unser Tempo und als ich höre, dass sie Deutsch sprechen, frage ich ein wenig nach. Sie sind bereits vor knapp zwei Wochen in Hemavan gestartet und übernachten teils im Zelt und teils in Hütten. Dabei hatten sie oft sehr schlechtes Wetter mit heftigen Schneesturm, schlechter Sicht und eisigen Minusgraden. Die Pulkas ermöglichen Ihnen, ausreichend Proviant dabei zu haben. In den nächsten Tagen planen sie die gleichen Etappen wie wir.

Die Gruppe noch frisch auf dem Waldweg

Der Weg geht von Kvikkjokk weg gleich einmal 200 Höhenmeter durch niedrigen Wald bergauf, um den Rest des Tages an Seen entlang oder direkt auf den Seen entlangzuführen.

Wegweiser zum Tagesziel

Heute Samstag sind auf diesem Abschnitt sehr viele Motorschlitten unterwegs – hoffentlich reduziert sich das die nächsten Tage. Das Wetter zeigt sich schon einmal von einer sehr guten Seite.

Begehen des Sees auf eigene Gefahr

Es ist komplett windstill und die Sonne kommt immer wieder durch, sodass sich eine ausgiebige Pause am See Stuor Dahta anbietet, um das Panorama zu genießen. Da fast der gesamte Kungsleden mit Metallstangen mit roten Andreaskreuzen im kurzen Abständen markiert und gut auffindbar ist, verteilt sich unsere Gruppe im Laufe des Tages entlang der Strecke.

Unser Pausenplätzchen

Helga übernimmt die Führung, weil sie uns „nicht aufhalten möchte“. Sonja und Uyangaa folgen Ihr, während Gerlinde kontinuierlich Ihr etwas langsameres Tempo geht und dabei von Heinz begleitet wird. Ich versuche, so gut es geht, alle im Blick zu behalten. Sobald wir den See Sjabttjakjaure erreichen, kann man die Hütten von Parte am anderen Ende des Sees schon erkennen. Wir folgen brav den Stöcken, die auf den Seen die Kreuze ersetzen, und werden in einem großen Bogen zu den Hütten. geführt.

Die Partehütte

Der Hüttenwirt begrüßt uns schon vor der Hütte und lädt uns gleich auf einen warme Erdbeersirup-Limo ein, währenddessen er uns die Hüttenregeln erklärt.

Das Wasser muss selbst geholt werden

Kurz nach uns trifft noch eine andere Gruppe ein. Da dort jemand auf Hundehaar allergisch ist, werden wir in jenen Schlafraum einquartiert, wo auch die Übernachtung mit Hunden gestattet ist. Dort residiert zur großen Freude von Sonja bereits ein schwedisches Pärchen mit zwei schönen und sehr disziplinierten Huskies. Fünf von uns schlafen in einem Raum mit einem Stockbett und einem 3er Stockbett, während Sonja das andere Zimmer mit den Huskybesitzern und den Hunden teilt. In den Parte-Hütten gibt es keinen Shop, daher habe ich schon zu Hause Lebensmittel für das erste Abendessen und das erste Frühstück gekauft und mitgenommen.

Unser erstes Abendessen in einer schwedischen Hütte

Aus den mitgebrachten Lebensmitteln zaubern wir unser Abendessen – es gibt Kürbiscremesuppe und anschließend Getreidelaibchen mit Linsenbolognese.

07.04.2019: Parte – Aktse

Unsere erste Nacht in einer der gemütlichen Schutzhütten des STF (Svenska Turist Foreningen) verläuft sehr ruhig und es zeigt sich, dass hier bis auf Heinz eine Runde von Frühaufstehern unterwegs ist. Als ich um 05:30 Uhr aufwache, höre ich mir noch einen Podcast an, aber um 06:15 ist bereits der Ofen angeheizt und die ersten Wanderer machen Frühstück. Wir stärken uns mit einem süßen Couscous mit Nüssen und Früchten, als der Hüttenwirt kommt und uns den Wetterbericht für heute verkündet. Es hat einige Minusgrade, die Sonne soll sich immer wieder zeigen und Wind von bis zu 15m/s wird erwartet.

Abschied von der Parte-Hütte

Am heutigen zweiten Tag wartet gleich  die längste Etappe der ganzen Tour auf uns, es warten ca. 28km auf uns. Also starten wir bereits kurz nach acht Uhr, doch Heinz muss noch einmal umkehren, da er seine Thermoskanne in der Hütte vergessen hat. In der Zwischenzeit verschwinden Sonja, Helga und Uyangaa nach vorne hin aus meinem Blickfeld und sollten auch lange nicht mehr auftauchen.

Gemütlich geht es durch den Wald

Ich bin mit Gerlinde und Heinz unterwegs und wir genießen die ersten Kilometer in windgeschützten Birken- und Nadelwäldchen. Fast gleichzeitig mit uns ist auch das Pärchen mit den Pulkas aufgebrochen und wir überholen uns immer gegenseitig, je nachdem wer gerade eine Pause macht.

Der See Rittak

Nach über einer Stunde erreichen wir den See Rittak und verlassen das schützende Wäldchen. Auf der freien Fläche des Sees macht sich der angekündigte Wind bemerkbar, und 15m/s sind gar nicht so wenig. Schnee- oder Sonnenbrille müssen her, Hals und Mund werden mit einem Tuch geschützt und eine wärmende Haube aufgesetzt, so hanteln wir uns weiter von Holzstange zu Holzstange, die auf den Seen die Kreuze ersetzen.

Die Adjustierung muss verändert werden !

Einmal spielt der am Boden wehende Schnee meinem Gleichgewicht einen Streich und ich falle grundlos nach hinten um. Nach einer halben Stunde ist dieser mühsame Abschnitt überwunden und sobald das Ufer erreicht ist, lässt auch der Wind deutlich nach. Der Blick zurück zeigt mir, das im Eiltempo heranlaufende schwedische Pärchen mit Huskypower, die wohl schon um die Mittagszeit am Ziel ankommen werden, wenn sie so weiterlaufen.

Die Husky-Speed-Schweden überholen uns.

Auch ein etwas älterer finnischer Mann und sein Sohn passieren mich, während ich warte, bis Gerlinde und Heinz sich über den See kämpfen. Weiter geht es windgeschützt ziemlich flach dahin durch das verschneite Wäldchen. Die Sonne kommt phasenweise durch, und es es macht nun richtig Spaß, immer am Ufer des Sees Tjaktjajaure entlangzugleiten. Unvermutet tauchen vor mir Helga und Uyangaa auf, die mitten am Weg sitzen und sich dieses windgeschütztes Plätzchen für ihre Mittagspause auserkoren haben. Während wir essen, passieren uns mehrere Schlittenhundegespanne mit 6 bis 8 Hunden.

Husky-Gespanne unterwegs

Hier mitzufahren würde ich für ein, zwei Stunden ganz spannend finden, aber den ganzen Tag lang wird es vermutlich ziemlich kalt und langweilig am „Steuer“ solch eines Gespannes. Während Helga und Uyangaa nach der Stärkung Ihre Reise fortsetzen, warte ich auf Heinz und Gerlinde und verlängere gemeinsam mit ihnen meine Mittagspause. Anschließend queren wir den See Tjaktjajaure und das verläuft sehr untypisch für eine Seeüberquerung. In der Karte ist die Höhe des Sees mit 430-470m angegeben, da es sich um einen Stausee mit höchst unterschiedlichem Wasserstand handelt. Wir gehen mit unseren Langlaufschi bergauf und bergab über den See durch eine unwirkliche und faszinierende „Mondlandschaft“.

Einer der durchgebrochenen Felsen im See

Der Weg passiert einige Steine, die sich durch das absenkende Eis gebohrt und bizarre Figuren geschaffen haben. Insgesamt dauert die Querung ca. eine Stunde und am anderen Ufer sehe ich gerade noch Uyangaa und Helga im Gebüsch verschwinden, als ich ankomme. Bei der Pause schnalle ich meine Schi ab, um prompt beim ersten Schritt fast bis zur Hüfte im Schnee zu stecken. Abseits der von Motorschlitten und Langläufern festgetretenen Spur merkt man doch, dass diesen Winter ausreichend Schnee gefallen ist. Obwohl wir alle schon recht müde sind und wir schon lange unterwegs sind, müssen wir noch den ca. 100m hohen Bergrücken des Tjaktjajavarre überwinden.

Leichte Anstiege sind zu bewältigen

Dies geht bergauf noch relativ leicht, für die meisten kurzen Anstiege müssen wir unsere Schuppenschi nicht einmal im Grätenschritt verwenden. Beim ersten steileren Bergabstück unserer Tour treffe ich dann wieder auf Uyangaa und Helga, da sich vor allem Uyangaa als Schianfängerin mit den Nordic Cruising Langlaufschi beim bergab schwer tut. Kurz vor der Überquerung des Laitaure tauchen unvermutet zwei WC-Hütten im Gebüsch auf und zeigen uns, dass die Zivilisation nicht mehr weit ist. Trotz unserer Müdigkeit nach der langen Etappe begeistert uns das Panorama des weiten Rapadalen mit dem Berg Skierffe als Wächter.

Das herrliche Panorama des Rapadalen

Kein Wunder, dass das Rapadalen eines der häufigsten Motive bei Skandinavien-Vorträgen ist. Mit dem Zählen der letzten Holzstangen, die uns über den See geleiten, überwinden Helga und ich die letzten Meter des Sees. Wir sind ein wenig frustriert, als die Aktse-Hütten nach Erreichen des Ufers doch noch ein Stückchen entfernter liegen, als es vom gegenüberliegenden Ufer aus erschienen ist.

Von der Sonnenterrasse der Aktse-Hütten

Trotzdem kommen wir erschöpft aber zufrieden an, wo uns Sonja auf der Sonnenterrasse der Aktse-Hütten bereits erwartet. Sie hat in der Zwischenzeit unser Zimmer bezogen, welches wir diesmal noch mit zwei einzelnen Wanderern teilen und weiß die Uhrzeiten der Saunagänge (Männer und Frauen hintereinander) in der Saunahütte von Aktse. Vorher stürmen wir noch den Shop in Aktse und kaufen unser heutiges Menu Köttbullar mit Kartoffelpürree und das morgige Frühstück Scrambled Eggs zusammen. Heinz und Gerlinde treffen knapp vor 18:00 Uhr ein – gerade noch rechtzeitig für den Saunagang der Herren.

Unsere heutige Schlaf-Hütte

Die Sauna von Aktse zeichnet sich durch einen sehr kleinen Umkleideraum und dafür einen großen Wasch- und Saunaraum aus. Das eiskalte Wasser, welches vom nebenanliegenden Bächlein geholt wird, wird im Wassertank des mit Holz beheizten Ofens in der Sauna zum Kochen gebracht und anschließend mit dem kalten Wasser gemischt. Dieses warme Wasser kann man sich dann schöpferweise über den Körper gießen und so vor und nach der Sauna sauber werden. Nach den Saunagängen verspeisen wir rasch unser Essen und erfahren von einem Finnen, dass er morgen unsere ersten beiden Tagesetappen an einem Tag einzigen gehen möchte !

08.04.2019: Aktse – Sitojaure

Nach einer weiteren ruhigen Nacht brechen die ersten Wanderer schon um 06:00 Uhr auf. Beim Weg zur WC-Hütte (Plumpsklo mit warmen Schaumstoffsitzen), die auf dem abschüssigen Gelände schwer zu erreichen ist, rutsche ich mit meinen profillosen Hüttenschuhen gleiche einmal aus. Jetzt wird klar, warum in der Nacht jeder versucht, WC-Gänge zu vermeiden 😊.

Vorbereitung der Scrambled Eggs

Die Scrambled Eggs (aus Pulver) zum Frühstück fallen eher in die Kategorie „einmaliges Experiment“, stellen aber trotzdem eine Abwechslung zu den sonstigen eher süßen Frühstücksvarianten dar. Es etabliert sich langsam eine Aufteilung der Aufgaben in der Gruppe – Sonja und ich kümmern uns eher um das Kochen des Essens während  Heinz und Gerlinde den Abwasch übernehmen. Heute wartet die Überquerung des ersten richtigen Berges auf uns und wir starten wieder recht frühzeitig. Dabei steht Sonja meist schon fertig gepackt draußen, während ich noch mit Thermoskanne füllen und Zähneputzen beschäftigt bin.

Ausblick von der Aktse-Hütte vor dem Aufbruch

Die ersten paar Meter gehen wir den Weg zurück, den wir gestern gekommen sind, bevor es nordöstlich über den Rücken des Njunjes hinaufgeht. Der Weg wird dabei rasch  so steil und schmal, dass bald alle die Schi abschnallen und tragen, da dies wesentlich einfacher ist. Nachdem wir die Baumgrenze überwunden haben und der Weg wieder breiter wird, kommt Heinz mit nur noch 1,5 Stöcken den Berg hinauf. Sein nagelneuer Langlaufstock ist bei einem Anschubversuch einfach abgebrochen ☹. Zum Glück ist die Bruchstelle nahe der unteren Spitze sodass der abgebrochene Stock noch notdürftig verwendet werden kann.

Skipiste in Lappland

Der Weg wird nun breiter und ist nicht mehr ganz so steil, mit den Holzstangen und Andreaskreuzen wirkt es fast so, als befänden wir uns auf einer Schipiste in den Alpen. Wir schnallen uns die Schi wieder an und arbeiten uns bei kalten Temperaturen aber Sonnenschein den Njunjes hinauf. Die Weitblicke zurück in Richtung Süden über den Laitaure-See und den Tjaktjajaure-Stausee sind einzigartig und belohnen für die Anstrengung bergauf.

Hoch über dem Rapadalen

Unsere schwedischen „Freunde“ mit den beiden Huskies sind wieder einmal nach uns gestartet (die Hunde brauchen ca. 2 Stunden Verdauungszeit nach dem Frühstück) und laufen von einer HS (Hundestärke) unterstützt, locker bei uns vorbei. Schließlich erreichen wir den Sattelpunkt des Berges – es geht starker Wind und wir gleiten eine Weile relativ eben mit toller Aussicht dahin, bevor unsere erste steile und lange Abfahrt auf uns wartet.

Von nun an gehts bergab

Es ist ein relativ langes und steiles Stück im offenen Gelände welches am Ende eben ausläuft. Sonja versucht es als Erste und arbeitet sich Bogen für Bogen hinunter. Ich folge Ihr und versuche es zunächst im Pflug, beschließe aber dann, einfach per Schuss im tieferen Schnee abzufahren und überhole Sonja mit für Langlaufschi relativ hohen Tempo. Es geht alles gut und an der flachen Stelle, wo auch der Wind nicht mehr so stark geht, warten wir wieder zusammen. Auch die routinierte Schifahrerin Helga und Uyangaa meistern diese erste Herausforderung und Gerlinde wird von „Schilehrer“ Heinz hinunterbegleitet. Anschließend geht es wieder durch niedrigen Birkenwald wellig dahin und um die Mittagszeit hole ich die vorausgeeilten Sonja, Uyangaa und Helga wieder ein, die auf einem sonnigen und windgeschützten Plätzchen Pause machen. Ich hätte es nicht gedacht, aber bei diesen Bedingungen wären sogar meine obligatorischen Wanderrauchpausen möglich gewesen. Der Tabak ist jedoch zu Hause geblieben und somit stärken wir uns mit Wurst, getrockneten Oliven, Tomaten und anderen Snacks.

Heinz alleine am Sitojaure

Nach der Pause erreichen wir nach kurzer Zeit den See Sitojaure, den wir die restliche Etappe überqueren. Dabei sehen wir in der Ferne zuerst ein Rentier und dann eine kleine Samensiedlung an deren Anfang die Sitojaure-Hütten stehen. Auch hier haben wir wieder Einblick in ein weites Tal, das von schroffen Bergen umfasst wird. Die heutigen Aussichten machen verständlich, warum der Sarek-Nationalpark, in dem wir uns befinden, für viele ein Sehnsuchtsziel ist. Die Hüttenwirtin ist freundlich aber streng und gibt uns die üblichen Instruktionen (wo befindet sich was) erst, als die gesamte Gruppe angekommen ist.

Wetter genießen vor der Sitojaure-Hütte

Sitojaure hat keine Sauna und keinen Shop und so verbringen wir den restlichen Nachmittag in und vor der Hütte damit, miteinander und mit den anderen Hüttenbewohnern zu plaudern. Dabei lernen wir ein Tiroler Pärchen kennen, welches schon zum vierten Male mit Schi und Pulka am Kungsleden unterwegs ist.

Abendstimmung auf der Sitojaure-Hütte

Zum Abendessen machen wir aus ein paar getrockneten Schwammerl, einem getrockneten Wokmix und zwei Packungen Schwammerlsuppe eine reichhaltige Sauce zu einem Kilo Nudeln, sodass auch diesmal niemand hungrig ins Bett gehen muss.

09.04.2019 Sitojaure – Saltoluokta

Unser Frühstück (Grießbrei mit Rosinen und Nüssen) ist bereits verputzt, als uns die Hüttenwirtin den heutigen Wetterbericht überbringt. Der Tag soll abwechselnd Sonne und Wolken bringen, ähnlich wie gestern.

Das Thermometer in der Früh

Trotz -14 Grad Starttemperatur starten wir also optimistisch unsere heutige Tour. Von ein paar Schneeflocken, die beim Aufbruch um die Hütte wehen, lassen wir uns dabei nicht irritieren. Obwohl nicht abgestimmt, verlassen wir fast zeitgleich mit dem Tiroler Pärchen und noch einigen anderen Hüttenkameraden der letzten Tage die Sitojaure-Hütte und lassen nach kurzer Zeit die letzten Bäumchen unterhalb der Baumgrenze hinter uns liegen.

Kalt und windig, aber mit klarer Sicht

Es geht langsam fast unmerklich bergauf in das Tal des Vuomajanka-Flusses, der unter einer dicken Eis- und Schneeschicht verborgen ist. Der Schneefall wird entgegen der Vorhersage stärker und nach einiger Zeit ziehen auch die Wolken zusammen, sodass auch die Sicht nachläßt. Nach der ersten Stunde im welligen, aber insgesamt flachen Gelände sind außer 4-5 Stangen mit Andreaskreuzen nichts mehr zu sehen.

Andreaskreuze im Nebel suchen

Alles andere verschwimmt im Weiß des Scheesturms, der mittlerweile aufgezogen ist. Wir benötigen erstmals auf dieser Tour Schneebrillen und einen Mundschutz, damit wir ohne Kälteschäden weiterkommen. Sonja zieht wieder einmal alleine vorneweg in Richtung der Notunterkunft Autsutjvagge, die in der Mitte der heutigen Strecke liegt. Ich gehe gemeinsam mit Helga und Uyangaa in kurzen Abständen, damit wir uns nicht verlieren und Heinz begleitet etwas weiter hinten Gerlinde.

Expeditionsadjustierung

So arbeiten wir uns Stange für Stange voran und orientieren uns an den Felsen, die manchmal neben der Strecke wahrzunehmen sind und kleine Etappenziele bieten. Einmal kommt uns ein Mädchen aus Taiwan entgegen, welches Ihr Auslandsstudium in Schweden mit einer einsamen Trekkingtour am Kungsleden beginnt, sich ihre gute Laune aber keinesfalls vom heutigen schlechten Wetter verderben läßt. Als sich nach knapp drei Stunden Gehzeit der Nebel etwas hebt, sehen wir plötzlich den dreieckigen Notunterstand vor uns.

Der rettende Unterstand Autsutjvagge

Diesen „kenne“ ich bereits, da Sonja und ich hier vor 10 Jahre von Abisko kommend aufgrund Schneemangels umgedreht haben. Wie unterschiedlich dazu die Bedingungen in der frisch verschneiten Winterlandschaft des Autsusjahkka-Tales doch diesmal sind. In dem Shelter haben die Schweden mit den Huskies ein paar Holzscheite eingeheizt. Daher ist sie so warm, dass ich mir zuerst draußen das Gewand ausziehen muss, bevor ich die Temperaturen vertrage. In der Hütte lässt es sich angenehm Pause machen, und während wir als Gruppe wieder zusammenwarten, bessert sich das Wetter und entspricht der Vorhersage von heute früh.

Freude über besseres Wetter

Nach der Pause geht es nun bei stabilen Wetter und guter Sicht noch einige Zeit eben dahin. Danach muss noch ein Sattel erklommen werden, bevor es hinunter zum Suorvajaure und der Mountain Lodge Saltoluokta geht. Am Sattel werden wir von einer Gruppe von 15 Ski-Doos überholt – diese Art von Verkehr ist mir die letzten Tage nicht abgegangen.

Am Sattel vor der Abfahrt nach Saltoluokta

Das Bergabstück beginnt recht harmlos, wird aber rasch steil und eisig und damit unangenehm zu fahren. Irgendwie schaffe ich es dann zwar wackelig aber ohne Sturz bis zur Baumgrenze. Ab dann hat der Weg zwar enorme Wellen, aber bei jeder steileren Abfahrt ist schon ein Stück zu erspähen, wo es flacher wird. So komme ich recht gut hinunter und unmittelbar vor dem Haupthaus der Saltoluokta Mountain Lodge zu stehen.

Füsse wärmen am gemütlichen Ofen von Saltoluokta

Sonja ist wieder mal schon länger hier und hat uns schon alles organisiert. So können wir hier beim offenen Kamin mit Kaffee oder Kakao nach dieser ereignisreichen Etappe anstossen. Im Laufe des Nachmittags ist dann Luxus angesagt, wir stürmen alle die geräumige Sauna und machen auch abermals Bekanntschaft mit dem schwedischen „Sauna-Bier“ welches hier offentsichtlich gerne direkt in der Sauna getrunken wird.

Ausblick aus der Sauna

Am Abend entscheiden wir uns für das 3-Gangmenu. Dieses besteht im ersten Gang aus einem kleinen Rentierburger mit Salatbuffet und selbstgebackenen Brot.

Freude über das 3-Gang-Menu

Anschließend gibt es WhiteFish aus dem lokalen Gewässer, der jedoch sehr grätenreich und schwer zu essen ist und zum Abschluß gibt es Heidelbeerkuchen.

Jonas präsentiert das Essen

Präsentiert wird das Ganze zweisprachig von Jonas und der Küchencrew, die noch Interessantes zur Geschichte von Saltoluokta erzählen. Für morgen bestellen wir den Gepäckstransport über den See zur Busstation und singen Herta (die Frau von Heinz) ein Geburtstagsständchen aus Lappland, als Dank, dass sie Ihrem Mann für diese Reise frei gegeben hat. 😊

10.04.2019: Saltoluokta – Vakkotavare – Teusajaure

Nach dem gestrigen Abend startet auch der heutige Tag luxuriös mit Frühstücksbuffet um 07:30 Uhr.

Ausschnitt des Buffets

Mit einer Auswahl wie in einem Hotel können wir uns die Bäuche vollschlagen, bevor wir um 08:45 die heutige Etappe mit 4km zum Aufwärmen über den See beginnen. Dabei begleitet mich Olga, die uns gestern Abend noch an der Rezeption betreut hat. Sie hat heute einen Tag frei und wird auf der anderen Seite des Sees von einer Freundin aus Gällivare abgeholt.

Warnschild am Ufer

Wir erreichen schon um 09:30 Uhr das andere Ufer und haben noch viel Zeit, bis der Bus um 10:15 Uhr kommt. Trotzdem wird es dann knapp, weil Helga und Gerlinde, die den Scooter-Transport über den See gewählt haben, gemeinsam mit unserem Gepäck erst ankommen, als der Bus schon da steht. Da der öffentliche Verkehr in Nordschweden aufeinander abgestimmt ist, wartet der Bus natürlich. Im Bus lehnt der Busfahrer Zahlung mit Cash ab (Card only). So muss man bei einer Tour hier also gut kalkulieren, wo man mit Cash und wo mit Karte zahlen kann. In der Hütte in Aktse war die Bankomatkasse ausgefallen und nur Cash möglich.

Blick aus dem Bus

Mit dem Bus fahren wir zur STF-Hütte Vakkotavare genau dem blauen Himmel entgegen, der schon den ganzen Vormittag über dem oberen Suorvajaure zu sehen war. Der Bus macht seine Mittagspause von einer Stunde leider genau zur Halbzeit unserer Strecke, sodass wir eine Zwangspause im Stora Sjöfallet Visitor Center bei Vietas einlegen müssen. Dieses Schicksal teilen wir mit einigen anderen „Abenteurern“, die in diesem Bus sitzen. Ein alleinreisender, junger Oberösterreicher steigt mitten im Nirgendwo aus, um mit dem Zelt eine Woche des Sarek-Nationalpark zu durchqueren. Um 12:00 Uhr sind wir dann auch beim Startpunkt unserer heutigen Etappe und machen uns bei warmen Temperaturen vor der Vakkotavare-Hütte bereit. Beim steilen Aufstieg durch den niedrigen Birkenwald tragen wir unsere Schi und wenden dabei die von Helga entwickelte Tragetechnik an. Dabei werden die Schi zwischen Körper und Rucksack eingeklemmt, sodass die Hände frei bleiben, um mit den Stöcken beim Anstieg nachzuhelfen.

Unser erster Rastplatz

Nach dem Überwinden der Baumgrenze machen wir eine erste Pause und genießen das prachtvolle Panorama Richtung Sarek-Nationalpark. Dabei passiert uns ein älterer Herr, der sogar mit Pulka und Langlaufschi die steile Strecke bergab zu unserem Ausgangspunkt in Angriff nimmt, ohne abzusteigen.

Auch das schwedische Pärchen überholt uns wieder

Heute ist wirklich ein herrlicher Tag und obwohl der Aufstieg auf den Sattel zur Teusajaure-Hütte hinter jedem erklommenen, vermeintlichen Gipfel einen weiteren bereit hält, genießen wir einfach diese endlose, ruhige und bewegungslose Weite, die sich in allen Richtungen auftut.

Herrlicher Ausblick

An diesem herrlichen, wetterstabilen Tag entschließe ich mich, Sonja an der Spitzenposition zu begleiten und wir nehmen gemeinsam als Erste die Abfahrt zur Teusajaure-Hütte in Angriff. 

Sonja und ich warten beim Sattelpunkt

Zu Beginn gleiten wir mühelos hinab und wenn es zu schnell wird, verlassen wir die Spur und wechseln in den bremsenden Tiefschnee. Doch als der Teusajaure und die gleichnamige Hütte in Sicht ist, beginnt auch wieder der Bewuchs mit niedrigen Birkenwäldchen und die Spur wird enger und schwieriger zu fahen. Nach den ersten zwei Kurven schnallt Sonja die Schi ab, und versucht, zu Fuß weiterzukommen. Ich lasse die Schi angeschnallt und kann bis auf einen kleinen Schneekontakt mit viel Akrobatik einen Sturz vermeiden. Insgesamt brauche ich für die gesamte Bergabstrecke vielleicht 45 Minuten, was doch zeigt, wie vergleichsweise schnell man mit den Schiern im Winter unterwegs sein kann. Teusajaure hat eine Saunahütte und einen Shop, der gerade heute neu beliefert wurde. Durch den späten Start ist außer Sonja und mir noch niemand hier, als die Herrensauna beginnt.

Saunahütte von Teusajaure

An diese Sauna habe ich noch gute Erinnerungen von meinem Trip 2009 – die Hütte und der Ofen sind noch das gleiche Modell wie damals. Der Ofen heizt so stark, dass die drinnsitzenden Schweden beschließen, das Fenster nach draußen und die Tür zum Waschraum zu öffnen, und auf Durchzug zu stellen 😊.

Das Saunabier für alle ist bereits kaltgestellt

Als ich von der Sauna komme, sehe ich gerade Heinz über den See laufen, der mir berichtet, dass sich Uyangaa bei einem ihrer zahlreichen Stürze (sie stand noch nie auf Alpin-Schi und hat nur ein paar Langlauftrainingstage als Vorbereitung) am Knie verletzt hat und nur noch humpelnd zur Hütte gekommen ist. Alle anderen sind in der Zwischenzeit auch eingetroffen und nutzen die Mixed-Sauna.  Währenddessen mache ich mich ans Werk und koche aus den Einkäufen beim Shop Tortillas mit Linsen-Mais-Käsefüllung.

Sonnenuntergang über dem Teusajaure

Uyangaas Knie ist leicht angeschwollen und sie humpelt durch die Hütte und wir hoffen das Beste, dass es am nächsten Morgen wieder besser sein wird.

11.04.2019: Teusajaure – Kaitumjaure

Heute wartet unsere kürzeste Etappe auf uns und daher habe ich auf meine „Frühaufstehertruppe“ eingewirkt, es in der Früh langsam anzugehen. Uyangaas Knie ist weiterhin leicht angeschwollen und schmerzt. In der Ebene der Teusajaure-Hütten humpelt sie ganz gut voran, aber bergauf und bergab könnten kritisch sein. Ich helfe ihr dabei, Ihr Knie zu tapen und somit zu stabilisieren. Trotzdem beschließen wir, sie per Schneemobil-Transport nach Kaitumjaure bringen zu lassen und ihr so einen Ruhetag zur Genesung zu verschaffen.

Uyangaa am Schneemobiltransport zur nächsten Hütte

Die Damen können mit weiblichen Charme eine anwesende Runde von Schneemobilfahrern dazu bringen, für Uyangaa einen Umweg zur Kaitumjaure-Hütte zu machen. So verlässt sie heute als Erste unsere Hütte. Der Rest der Truppe startet nach einem Frühstück mit Milchreis und Blaubeersuppe. Die Temperaturen sind nach dem Traumwetter von gestern und der klaren Nacht noch empfindlich kalt. Der Hüttenwirt erzählt von -20 in der Nacht, wir starten bei immerhin noch -15. Dabei tragen wir die Schi gleich das erste Stück, da es hinter der Teusajaure-Hütte einmal gleich kräftig bergauf geht.

Gerlinde am Anstieg hinter Teusajaure

Als das Terrain wieder abflacht, schnallen wir die Schi an, und treffen auf die Scooter-Spur von Uyangaas Motorschlitten. Der Sattel zwischen Teusajaure und Kaitumjaure ist oben recht flach und als wir dann noch eine vorgerfertigte Sitzbank finden, die guten Windschutz bietet, legen wir auch auf dieser kurzen Etappe eine ausgiebige Mittagspause ein.

Eine vorgefertigte Sitzbank gibt Windschutz

Sonja möchte aufgrund der kurzen Etappe noch eine Verlängerung einlegen, mein konkretes Angebot ca. 500m auf einen der beiden flankierenden Berge hochzusteigen, nimmt sie dann aber doch nicht an. Der Himmel ist nicht ganz so strahlend blau, wie am Vortag und sobald wir die Abfahrt vom Sattel Richtung Kaitumjaure beginnen, setzt auch Wind ein.

Rückblick auf die Ausläufter der Abfahrt

Dieser weht jedoch aus der „richtigen“ Richtung wodurch Helga beim bergab gar nicht mehr zu bremsen ist. Wie schon beim Trainingstag zu Hause im Wechselgebiet kann ich ihr bergab nicht folgen, wenn wir die Schi beide laufen lassen. Nach einer schönen, steilen aber breiten Abfahrt kommen wir wieder an die Baumgrenze aber der Weg verläuft angenehm, nur leicht abfallend und schon bald kommt die Kaitumjaure-Hütte in Sicht, die etwas oberhalb des gleichnamigen Sees liegt.

Die Kaitumjaure-Hütte

Die letzten Meter zur Hütte gibt es zum Abschluss der Etappe noch einen kurzen, aber steilen Anstieg. Der Hüttenwirt, ein ca. 65-jähriger schwedischer Opa begrüßt uns schon und weiß von Uyangaa schon alles über uns. Er beschreibt Uyangaa als sehr positiven und gesprächigen Menschen 😊.

Uyangaa und der Hüttenwirt sind bereits Freunde

Diesmal dauert es nicht lange, und unsere Gruppe ist vollständig auf der Kaitumjaure-Hütte eingetroffen. Auch Gerlinde ist diesmal bergab schon alles ohne Abschnallen gefahren. Wir genießen den Nachmittag im sonnigen Windschatten der Hütte, und beobachten die fleißigen Mitarbeiter vom STF, die am morgen in Teusajaure das Holz zerkleinert haben und nach Scooter-Fahrt nun in Kaitumjaure die großen Stämme so zerlegen, dass wir Feuerholz daraus machen können.

Sonja entspannt beim Holzhacken

Mit uns auf der Hütte ist auch noch ein schwedische Pärchen, das eigentlich weitergehen wollte, nach der Mittagspause aber nicht mehr genügend Motivation aufgebracht hat. Da wir morgen bei der Singi-Hütte keinen Shop zur Verfügung haben werden, machen wir einen Großeinkauf (Der Hüttenwirt meint, es sei der zweitgrößte Einkauf diesen Winter) im Shop von Kaitum. Netterweise können wir schon um 17:00 Uhr die ziemlich neu errichtete Sauna-Hütte von Kaitumjaure als Mixed-Sauna nutzen, bis zum nächsten Aufguss sind es dann wieder zwei Tage!

Die Saunahütte von Kaitumjaure

Beim Abendessen gibt es Chili con Carne aus der Dose während eine Gruppe Eisfischer ihren frisch gefangenen Fisch im Wasser kochen. Sie sind mit Motorschlitten hierher gekommen und haben daher Luxusgüter wie Wein, Butter oder Käse mit im Gepäck. Offensichtlich erspähen sie unsere neidischen Blicke und bieten uns ein paar Stückchen des Fisches zum Kosten an.

Abendstimmung über dem schneebedeckten Kaitumjaure-See

Dieser schmeckt wirklich vorzüglich und wir können die Nachtruhe wieder einmal gut gesättigt antreten.

12.04.2019: Kaitumjaure – Singi

Am nächsten Morgen beraten wir wieder mit Uyangaa, wie ihre Reise mit dem lädierten Knie weitergehen soll. Die heutige Etappe ist laut Höhenprofil ziemlich flach und sie ist optimistisch, dass sie das trotz Verletzung schafft.

In der Pancake – Bäckerei …

Sonja und ich machen Pancakes (aus Pulver) mit Rosinen zum Frühstück während die anderen sich schon reisefertig machen. Der Hüttenwirt, der um Uyangaas Verletzung weiß, schickt einen STF-Mitarbeiter, der zufällig bei der Hütte weilt, um Uyangaas Knie zu untersuchen.

Uyangaas Knie wird gecheckt

Dieser ist nach kurzen Check auch nicht sicher, ob es gescheit ist, die Reise fortzusetzen. Als das schwedische Pärchen, welches heute ebenfalls hier übernachtet hat, feststellt, dass Uyangaa aufbrechen möchte, stellt sich der Mann als Arzt vor, und fragt Uyangaa, ob er sich das Knie mal ansehen soll. Er macht ein paar Stabilitätstests (kenne ich von meinen eigenen Knieverletzungen) und rät uns dann deutlich ab, weiterzufahren. Gemeinsam mit dem Hüttenwirt und dem STF-Mitarbeiter nutzen sie das in jeder Hütte befindliche Notfallstelefon um mit dem nächsten Krankenhaus in Gällivare zu beratschlagen.

Kurz nach dem Aufbruch

Schlussendlich schlagen sie vor, dass Uyangaa vom STF-Mitarbeiter mit dem Schneemobil nach Singi gebracht wird und dort mit dem Shuttle von Nikkaluokta geholt wird, um nach Gällivare zu kommen. So wird es dann gemacht und wir verabschieden uns von Uyangaa, die erst bei der Heimfahrt mit dem Zug wieder zusteigen wird. Wir verbliebenen fünf brechen mit etwas Verspätung (09:00 Uhr) auf und gehen gleich direkt hinter der Hütte querfeldein Richtung Weg nach Singi, um uns zusätzliche Höhenmeter zu ersparen. Wie der Hüttenwirt gesagt hat, treffen wir bald auf den Weg und folgen diesem ein paar Minuten durch die letzten Bäumchen als uns Uyangaa mit dem Motorschlitten überholt.

Wir werden von Uyangaa überholt

Dabei stellen wir fest, dass uns Heinz und Gerlinde abgehen, die schon jetzt nicht mehr in Sichtweite sind. Nach einigen Minuten (ich wollte gerade zurückgehen) tauchen sie aber auf und haben offensichtlich eine längere Variante gewählt. Nun geht es in voller Gruppenstärke leicht bergan immer dem Verlauf des Tjäktjajakka-Flusses folgend.

Rasch wechselndes Wetter

Das Wetter wechselt heute rasch. Manchmal zieht es fast komplett zu und mit dem aufkommenden Wind wird es dann rasch ungemütlich. Kurz darauf reißt es wieder auf und durch einen blauen Fleck am Himmel scheint die Sonne hindurch. Dadurch sind einige kleine Pausen notwendig, um das Gewand an die geänderten Bedingungen anzupassen. Nach einiger Zeit trennen sich die Spuren von den ausgesteckten Andreaskreuzen und der Weg führt direkt im breiten, dick zugefrorenen Flussbett des Tjäktjajakka.

Der Weg auf dem Tjäktjajakka

Ich kann mich erinnern, dass Sonja und ich vor zehn Jahren hier stellenweise Eis und Wasser durchschimmern sahen, diesmal liegt alles unter einer dicken Schneeschichte. Bald treffen wir auch auf Gegenverkehr, was immer ein Zeichen dafür ist, dass wir ca. bei der Hälfte der Wegstrecke sind. Die Charakteristik der Landschaft ist hier deutlich anders als zwischen Kvikkjokk und Saltoluokta. Es gibt keine Bäume und die höchsten Berge Schwedens werden hier durch die Gletscherflüsse eingeschnitten. Längere Pausen finden heute aufgrund des wechselhaften Wetters nicht statt und wir kommen rasch voran. Kurz nach Mittag sehe ich eine Gruppe von dunklen Flecken in der Landschaft, die ich für die Singi-Hütten halte. Sonja meint, dass es einfach Felsen sind und wir wetten um einen halben Schokoriegel. Die „Felsen“ verschwinden noch zweimal hinter kleinen Erhebungen.

Ankunft bei den „Felsen“ der Singi-Hütte

Als wir näherkommen, stellt sich heraus, dass ich recht habe und wir nicht mehr weit von den Singi-Hütten entfernt sind. Ca. 20 Minuten später erreichen wir die Hütten von Singi und treffen auf Uyangaa, die noch nicht abgeholt wurde und uns bereits unser 6er-Zimmer reserviert hat. Als unsere Gruppe vollständig eingetrudelt ist, kommt auch der Fahrer von Nikkaluokta und bringt Uyangaa in Richtung Krankenhaus.

Uyangaa als Schneemobilmoden – Modell

Da es bei Singi weder Shop noch Sauna gibt, vertreiben wir uns die Zeit mit den üblichen Hüttensportarten. Heinz und ich holen Wasser am weit entfernten Wasserloch.

Dabei entsteht ein legendäres Video, welches Heinz noch vor Ort geschnitten hat.

Wasserholen am ca. 4m tiefen Eisloch

Die Mädels gehen in die Vedbod (Holzhütte) und zerkleinern Holz auf alle möglichen Arten, damit wir in unserer Hütte nicht frieren müssen.

Ich beauftsichtige den Holztransport

Anschließend vertilgen wir die Reste unserer Vorräte, die wir nicht weiter mitnehmen müssen, denn in der nächsten und letzten Unterkunft Kebnekajse gibt es Vollpension und Shop. Auch die extrakleinen Wanderspielkarten von Heinz feiern Premiere bei einigen Partien „Jolly“.

Nachmittagssnack

Das Kochen und Essen ist etwas schwierig, da neben uns noch eine 6er-Gruppe Schwedinnen (die uns schon im Bus nach Vakkotavare gesehen haben) und eine 8er-Gruppe Schweden in der Hütte übernachten. Das ist bei vier Kochstellen und zwei Tischen schon relativ eng, aber hintereinander geht es ganz gut. Ich bin froh, dass wir hier zu sechst unterwegs sind, viel größere Gruppen wären in den Hütten wesentlich schwerer handzuhaben.

13.04.2019: Singi – Kebnekajse

Am nächsten Morgen zeigt sich das Wetter von der gleichen Seite wie gestern (nicht allzu kalt, bewölkt, leichter Wind) und wir stärken uns mit den letzten Resten unserer Essensvorräte (Knäckebrot, Marmelade, Tubenkäse und Salami, die wir eigentlich extra für die schon im Tal befindliche Uyangaa gekauft haben). Das Zusammenpacken ist schon Routine und wir starten kurz nach einer 12-köpfigen Gruppe Franzosen und den Schwedinnen aus unserer Hütte auf den Weg Richtung der Fjällstation Kebnekajse.

Die ersten und letzten Bergaufmeter für heute

Unser Weg führt direkt von Singi zuerst rund 150 Hm bergan auf den Sattel zwischen Sinnicohkka und Liddubakti. Hier in der Nähe von Schwedens höchsten Berg Kebnekajse wirkt die Landschaft durch die steinigen, felsigen Hänge sehr alpin. Nicht immer kann man direkt den Kreuzen folgen, da hier öfter die Felsen durch den dauernden Wind freigelegt sind. Kurz vor dem Sattelpunkt schimmert es eisigblau, als wir eine komplett vereiste Fläche umkurven müssen.

Blankes Eis am Sattelpunkt

Nach ca. 45 Minuten erreichen wir den höchsten Punkt unserer heutigen Etappe und haben einen weiten Blick ins Tal des Laddjujohka. und auf einige vereiste Wasserfällen, die sich von den Hängen links und rechts hinabstürzen.

Weiterhin alle gut gelaunt

Nun geht es in Etappen immer wieder ein Stückchen bergab und ein Stück eben dahin, sodass wir rasch und ohne große Anstrengung vorankommen und die Landschaft genießen können. Uns fallen Markierungen auf, wo zwei Andreaskreuze in unterschiedlichen Winkeln auf den Stangen angebracht sind. Nach kurzen Rätsel kommen wir drauf, dass diese Markierungen bei stärkeren Richtungswechsel angebracht werden, um den Wegverlauf in beide Richtungen anzuzeigen – bei schlechten Sichtbedingungen sicher sehr sinnvoll.

Das breite Tal vor Kebnekajse

Nach einiger Zeit verbreitet sich das Tal und wir befinden uns nun direkt am Fuße des Kebnekajse. Es ist in der Zwischenzeit leichter Rückenwind aufgekommen. Dies ist beim Langlaufen sehr angenehm, erschwert aber das Finden eines Rastplatzes.

Pause im Windschatten eines Felsens

Schlussendlich wählen wir den Windschatten eines größeren Felsen und beobachten während des Rastens zwei Tourengeher, die sich am Erklimmen der steilen Wände gegenüber des Kebekajses probieren.

Schneeskulpturen am Weg

Der Wind verstärkt sich noch und bläst uns regelrecht die wenigen verbliebenen Kilometer zur Fjällstation hin, sodass wir kurz nach 12:00 Uhr bei der letzten Hütte unserer Tour ankommen. Zwischen 12:00 Uhr und 14:00 Uhr wird im Haupthaus um 115 SEK ein Mittagsbuffet angeboten und ich kann meine Crew dazu überreden, dies auszunützen.

Lecker Mittagsbuffet in Kebnekajse

Auf Kebnekajse können über 150 Personen übernachten und nutzen die Hütte aus Ausgangsbasis zur Besteigung des gleichnamigen Berges oder Touren in die Umgebung. Auch zahlreiche Tagestouristen nutzen den regelmässigen Schneemobil-Shuttle zwischen Nikkaluokta und Kebnekajse.

Der Eingang zur Fjellstation Kebnekajse

Daher hat die Sauna auch am Nachmittag geöffnet und es gibt auch einen Shop mit erweiterten touristischen Angebot (Shirts, Stirnbänder, Blasenpflaster,…), den wir als Nachmittagsprogramm genau inspizieren. Aufgrund des üppigen Mittagessens verzichten wir auf das angebotene Mehrgangmenu am Abend und essen stattdessen unsere Einkäufe aus dem Shop von Kebnekajse.

14.04.2019: Kebnekajse – Nikkaluokta – Stockholm

Auch die letzte Nacht in einer Unterkunft in den schwedischen Bergen verläuft sehr angenehm. Mit gepackten Rucksack erwarten wir bereits um 07:00 Uhr die Öffnung des Restaurants zum Frühstücksbuffet das wie in Saltoluokta gut und reichlich ist. Aufgrund des guten Wetters entschließen sich alle auch die heutigen knapp 20km aus eigener Kraft zurückzulegen und nicht die Option des Motorschlittentransportes zu nutzen.

Aufbruch zur letzten Etappe

Es sind wirklich optimalste Bedingungen. Die Sonne scheint, und ein kräftiger Wind weht uns unserem Ziel entgegen. Die ersten Minuten von der Kebnekajse Fjällstation geht es bergab, sodass wir kaum antauchen müssen und auch die flache Strecke im Laddjuvaggi geht es locker dahin. Wir sehen das erste offene Wasser seit Tagen und nutzen mehrere Gelegenheiten, um die Landschaft und uns fotografisch und per Video festzuhalten. Der markierte Weg ist nur eine grobe Orientierung, denn durch den zahlreichen Schneemobil-Verkehr sind richtige Straßen abseits der Markierungen entstanden.

Ein Blick zurück in die Berge

Wir wählen teilweise auch die Spuren direkt auf den Laddjujohka, den Fluss, der dieses breite Tal ausgebildet hat. Ca. 2,5 Stunden nach dem Aufbruch erreichen wir den Laddjujavri und wählen diesen See mit perfekter Rundumsicht für unsere Mittagspause.

Mittagspause am See

Die Sonne brennt regelrecht vom Himmel und mir genügt eine einziges Shirt am Oberkörper, obwohl es wahrscheinlich nur einige Grade über 0 hat. Wir machen Sprungfotos und andere witzige Dinge und genießen den Rückblick auf den wolkenlosen Gipfel des Kebnekajse, der vermutlich auch nicht vielen Winterreisenden vergönnt ist.

Die ganze Gruppe hebt ab !

So werden diese letzten 10 km zu einer Genusstour auch wenn LapDonalds (ein samischer Fastfood-Holzschuppen mit Rentierburger) im Winter offensichtlich nicht geöffnet hat. Der Weg ist nun total flach und bietet abgesehen von der heute überragenden Aussicht wenig Spannendes. Es ist für mich gut nachvollziehbar, warum manche Reiseführer davon sprechen, dass man hier nichts versäumt, wenn man das Schneemobil nimmt.

Langlaufen entlang offener Flüsse

Wir hingegen genießen unsere letzten Kilometer entlang der verschneiten Ufer des offenen Laddjujohka in dessen Wasser sich die Sonne spiegelt. Um 14:00 Uhr erreichen wir das Samendorf Nikkaluokta, den Endpunkt unserer Langlauftour. Wir kaufen 5 große Dosen Bier zum Diskontpreis von SEK 30 und stoßen barfuss im Schnee auf diese gelungene und wunderschöne Tour an.

Abkühlung und Abschlussbier

Der Bus nach Kiruna kommt erst um 16:30 Uhr so bleibt genug Zeit sich durch die Speisekarte des Restaurants von Nikkaluokta zu kosten. Wir packen unsere Schi ein und nehmen auch Uyangaas Schi mit, die sie hier deponiert hat. Der Bus kommt pünktlich an und bringt uns in 1,5 Stunden nach Kiruna, wo schon der Zug nach Stockholm auf uns wartet.

Am Bahnhof von Kiruna

Nach einer Stunde Fahrzeit steigt Uyangaa in Gällivare zu, die sich in den zwei Tagen wo sie dort, mit den Exil-Mongolen aus dem Ort bekannt gemacht hat. So verbringen wir die letzte Nacht unserer Reise wieder vollständig im Zug nach Stockholm.

Nachtzug nach Stockholm

15.04.2019: Stockholm – Wien

Im Nachtzug nach Stockholm war ich diesmal im obersten Bett, da Uyangaa mit Ihrer Verletzung nicht gut raufklettern kann. Im Spital von Gällivari ist übrigens nichts Wesentliches passiert, die entsprechenden Untersuchungen werden erst in Wien stattfinden. Wir essen Frühstück im Zugsrestaurant und stellen fest, dass wir das schöne Wetter auch nach Südschweden mitgenommen haben. Um 09:45 Uhr kommen wir am Zentralbahnhof in Stockholm an. Uyangaa, die von Haus aus geplant hat, noch zwei Tage in Stockholm zu verbringen, hat unmittelbar neben dem Bahnhof ein Hotelzimmer gebucht, das wir zum Verstauen unseres Langlaufequipments nutzen, da unser Flug erst um 17:30 Uhr zurückgeht. So können wir noch 5 Stunden in Stockholm verbringen, wo wir bei wunderschönen aber relativ kalten Wetter die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Innenstadt abklappern.