Der nächste Morgen beginnt mit dem Frühstück, welches wir am Vortag auf einer Multiple Choice Bestellkarte bestellt hatten – es ist alles hier was wir uns gewünscht haben. Um 09:00 Uhr holen wir die drei Pärchen vom Jerula B&B ab und beginnen die heutige Tour mit sanften Auf und Ab auf den Straßen der Hochebene von Agerola. Genau den direkten und auf meiner 1:10000 Karte eingezeichneten Weg können wir zwar nicht gehen, da wir dazu durch private Hauseinfahrten durchmarschieren müssten, aber auch über die etwas längere Strassenverbindungen kommen wir rasch nach Bomerola. Am Hauptplatz von Bomerola tauchen plötzlich aus allen Ecken zahlreiche Wanderer auf. Wir befinden uns hier am Startpunkt des „Sentieri degli Dei“, einem der bekanntesten und schönsten Wanderwege Italiens.
Nach einer kurzen Kaffee- und Eispause machen auch wir uns auf den göttlichen Weg. Nur wenige Meter nach Bomerano erhalten wir wieder Blick aufs Meer, welches unterhalb einer Steilküste 600m unter uns liegt. Und genau das macht den Reiz dieses relativ leicht zu gehenden Weges aus – die Aussicht.
Wir gehen eingebettet in Felsen auf gleicher Höhe entlang und sehen die an die Küste geschmiegten Ortschaften wie Praiano und Positano aus der Vogelperspektive. Bei guter Sicht, die wir heute haben, ist die restliche Amalfiküste bis Capri zu sehen.
Auf einer besonders exponierten Stelle nutzen wir die guten Bedingungen für eine kurze Fotosession und lassen uns und unser Equipment ein wenig springen.
Auf den Weg kommt man gut voran, wären da nicht 100e Wanderer von denen leider nicht alle dem steinigen und manchmal auch felsigen Weg entsprechend ausgestattet sind. Highlight ist ein 60jähriges Mütterchen, welches sich mit flip-flop-ähnlichen Sandalen über felsigen Tritte balanciert. Trotzdem ist der Weg der Götter zu Recht eine der Hauptattraktionen auf der Amalfiküste.
Knapp nach Mittag erreichen wir das kleine Bergdorf Nocelle, wo wir unsere Mittagsrast einlegen und den weiteren Verlauf besprechen. Susanne und Erika, sowie Heinz und Herta wollen mit dem Bus von Nocelle nach Positano fahren und von dort zu unserer heutigen Unterkunft aufsteigen. Alle anderen gehen mit mir den ursprünglich geplanten Weg, der uns zuerst nach Montepertuso und dann direkt zum Kloster Santa Maria dell Castello führt. Von Nocelle nach Montepertuso führt der Weg zuerst noch parallel zur Straße und die zweite Hälfte auf der Straße, auch dieser Teil ist eigentlich noch Bestandteil des Sentiero degli Dei, der offiziell in Positano endet. Als wir Montepertuso erreichen, überholt uns gerade der Bus von Nocelle, der so vollgestopft ist, dass wir nur den an die Innenwand gepressten Heinz darin ausmachen können.
Während der Bus weiterfährt, machen wir eine kurze Eispause am „Hauptplatz“ von Montepertuso und setzen den Weg dann direkt fort. Der Einstieg ist wieder einmal ziemlich versteckt, am Ende eines verlassenen Parkplatzes beginnt der sporadisch markierte Weg. Zuerst folgen wir noch mit einigen Abstand der Straße nach Positano. Dabei umrunden wir eine markante Felsformation mit einem Loch. Ich finde den Weg sehr schön, ein schmaler Wanderweg, der manchmal auf Felsterrassen entlangführt und sich langsam einer bewachsenen Schlucht nähert, die ein (zur Zeit) schmales Bächlein ausgehoben hat. Als wir dem Weg folgend ein ausgetrocknetes Bächlein überqueren und es bergauf geht, fällt mir auf, dass die Richtung nicht mehr ganz passt.
Ein Blick auf das GPS bestätigt mein Gefühl und ich muss die ganze Gruppe wieder abwärts ein paar Meter zurückbeordern und mache mich auf die Suche nach der verpassten Abzweigung. Diese finde ich extrem unscheinbar mit einem verblassten, lila Markierungsstrich auf einem mit Moos bewachsenen Stein und einem Weg, den man erst beim zweiten Hinschauen als solchen identifiziert. Da die GPS-Anzeige und die Richtung hier passt, folgen wir diesen Weg. Dieser führt uns weiter in die immer enger werdende und hoch bewachsene Schlucht und verlangt auch hohe Trittsicherheit. Diese lässt Hannes heute leider vermissen. Bereits auf der Asphaltstraße nach Montepertuso ist er umgeknickt, nun hören wir plötzlich einen lauten Schrei einige Meter vor uns (er war als Erster vorgeeilt). Als wir ihn erreichen, liegt er einige Meter unterhalb des Weges im Dornengebüsch, welches ihn glücklicherweise vor einem größeren Absturz bewahrt hat. Franz und ich ziehen ihn wieder auf den Weg und Susanne versorgt die durch die Dornen aufgeschürften Stellen – ansonsten ist zum Glück alles heil geblieben.
Nach einer Schreckpause setzen wir den Weg fort, wobei nun ich unumstritten der erste bin, der den Weg sucht. Nach insgesamt gut zwei Stunden verlassen wir die Schlucht und erreichen eine Straße in der Nähe von Santa Maria del Castello.
Nach wenigen Metern ist schon das Agriturismo La Ginestre angeschrieben, wo wir um ca. 16:00 Uhr ankommen. Wir bekommen unsere Zimmer zugewiesen, drei davon haben direkten Zugang zu einer herrlichen Sonnenterrasse mit Blick über den ganzen Golf von Neapel einschließlich der Insel Ischia. Während wir unsere Wäsche trocknen erreichen auch die vier, die Positano besichtigt haben unser Quartier und wir sind wieder vollständig. Ähnlich wie gestern gibt es auch heute abend das gleiche Menu für alle. Es schmeckt gut, kann aber in Menge, Vielfalt und Qualität bei weiten nicht an das gestrige Highlight heranreichen. Mit einem herrlichen Sonnenuntergang hinter der Insel Ischia endet dieser Tag.